Die Entweihung - Kings & Pawns

Die Entweihung – Kings & Pawns

Wings of Destruction / Scorched Earth Records
2021

Das letzte Album „The Worst Is Yet to Come“ des israelischen Einzelklämpfers Denis Tereschenko alias Herr Entweiherr war schon eine große Steigerung zu den vorherigen, recht zahlreichen Werken seines 2007 gestarteten Projektes, doch mit dem aktuellen, zu „Kings & Pawns“ betitelten Auswurf peitscht er Die Entweihung noch um ein weiteres, wenn auch nur kleines Stück vorwärts. Wer bisher noch keinen Zusammenstoß mit dieser Band hatte, dem sei gleich gesagt, dass es sich hierbei nicht um einen klassischen, in undurchdringlichen, finsteren Wäldern und tiefen Schluchten geborenen Black Metal der alten Schule handelt – auch wenn die Gitarrenspuren vielerorts Parallelen zu den wegweisenden Untaten der allseits bekannten blasphemischen Kreisen ziehen. Die Entweihung gibt sich thematisch recht modern und politisch sogar voll korrekt, was sich aus dem zweiten Lied „The Moustached God“, das den auf der Rückseite des Cover-Artworks abgebildeten weißrussischen Diktator Lukaschenko an den Pranger stellt, leicht ableiten lässt. Dieser Song ist definitiv das Aushängeschild dieses Albums, und das nicht nur, weil er dem aus Weißrussland abstammenden Denis ganz besonders am Herzen liegen dürfte, sondern auch, weil es sich dabei um eine der stärksten Kompositionen aus seiner Feder handelt. Eine leicht mit Hall belegte, schwarzmetallisch krächzende Stimmlage (Pluspunkt!), eine dezente, sich zuweilen zu Wort meldende, zweckdienlich eingesetzte Synthie-Untermalung mit 90er Black-Metal-Attitüde (Pluspunkt!) und eine auffallende, orientalisch anmutende Leadgitarrenmelodie (Pluspunkt!), und fertig ist eine gelungene Ohrsalbung. Übrigens, der orientalische Touch schlängelt sich nahezu kontinuierlich durch das gesamte Album hindurch, mal stärker, mal etwas schwächer ausgeprägt, und bildet den roten, das Gesamtwerk zusammenhaltenden Faden.

Die dritte und längste Nummer des Albums „As the Hangover Starts“ zeichnet sich vor allem durch ein um einiges gemächlicheres Spieltempo und einen fast schon versonnenen Akustikpart ungefähr in der Mitte der Komposition aus. Danach folgt mit „Confrontation“ ein weiterer, rein instrumentaler Track ähnlich dem Opener „Away into the Night“, was eine Überleitung zu den weiteren, leicht andersartig gestalteten Songs darstellt. Der Titeltrack ist nämlich nicht mehr rein schwarzmetallisch, sondern hat einen unverkennbaren Heavy-Einschlag – er wurde auch vom Gastsänger Alexander Ivanov von der russischen Band Jinx veredelt. Dies bringt etwas mehr Farbe ins Spiel, aber Denis weiß dafür Sorge zu tragen, dass man sich insgesamt nicht wirklich weit vom eingeschlagenen Kurs entfernt. Dies mag zwar anfänglich wie eine etwas ungünstige Gratwanderung erscheinen, doch nach mehreren Hördurchläufen gewöhnt man sich an diesen leichten Stilmix. Erst recht an den sechsten Auswurf “The Nonsense Games” mit Alena Krákorová von der tschechischen Band Nocturnal Pestilence am Mikro. Neben „The Moustached God“ kann dieses Stück zweifellos als die zweite Visitenkarte des Albums angesehen werden. Das Songwriting ist stark, der Refrain absolut melodisch und catchy, und wenn ich so recht darüber nachsinne, dann erinnert mich die hier vorzufindende musikalische Inszenierung an die deutsche Gruppe Agathodaimon, die man auch gleich als Referenzband für die gesamte Scheibe anführen kann. Zwei geglückte Cover-Songs, „Working Class Hero“ von John Lennon (nochmals von Alena eingesungen) und „Sons of Moon and Fire“ von der nicht mehr existenten, russischen Band Der Gerwelt, beschließen das mittlerweile zehnte Studioalbum von Denis.

Nach vielen Durchgängen und das Gehörte ganz nüchtern und objektiv betrachtend muss ich hier allerdings doch festhalten, dass mich die „Kings & Pawns“ dennoch ein wenig zwiegespalten zurücklassen, obwohl die positiven Aspekte hier ganz klar die Oberhand behalten. Das liegt mitunter an dem noch nicht völlig bzw. durchgehend ausgeschöpften kompositorischen Potenzial, wie den meiner Meinung nach nicht unbedingt zwingend erforderlichen Wechseln bei den Gesangsaufnahmen. Denis kann, wie „The Moustached God“ es beweist, auch ganz selbstständig sehr gut performen, und an diesem, gut zu seinem Projekt passenden Rezept sollte er zukünftig noch mehr festhalten.

Tracklist
1. Away into the Night
2. The Moustached God
3. As the Hangover Starts
4. Confrontation
5. Kings & Pawns
6. The Nonsense Games
7. The Only Thing Worthy to Save
8. Working Class Hero (John-Lennon-Cover)
9. Sons of Moon and Fire (Der-Gerwelt-Cover)

Geschrieben von Adam am 8. November 2021