Oversense - Egomania

Oversense – Egomania

Dr. Music Records
2021

Oversense finden – so scheint es – so ziemlich alles doof: Konsumzwang, Umweltzerstörung und eigentlich gleich die ganze Gesellschaft, denn bei „Egomania“, ihrem zweiten Album, wird überall mal lyrisch draufgehauen. Das könnte schnell zur abgenutzten Klischee-Nummer werden, wenn die Texte nicht mit so viel Kreativität und Fuck-Off-Attitüde daherkommen würden, dass man dem bayerischen Quartett den Badass-Charme einfach abnehmen muss.

Ähnlich verhält es sich mit der Musik: Die Band kategorisiert sich selbst als Melodic Power Metal, aber wer hier an dudelige Rhapsody-Rip-Offs denkt, liegt falsch: Oversense überraschen mit kernigem und falsettfreiem Gesang, rockigen Gitarrensoli, metalcorigen Rhythmusspielereien und Hard-Rock-Refrains, die Fans von späteren Pretty Maids und Gotthard glücklich machen dürften. Ähnlich wie die genannten Referenzen tragen auch Oversense entsprechend dick auf: Ist die Gesangslinie noch nicht dramatisch genug, wird erst einmal noch ein Chor oder eine weitere Keyboard-Spur drüber gepackt. Dabei geht der Vierling auch mal die Gefahr eines stilistischen Spagats ein: Wollen sie jetzt sonnenbebrillte Bon-Jovi-Coolness oder doch lieber erhabenen Nightwish-Pomp? In solchen Momenten wackelt das schlüssig konzipierte musikalische Gerüst ein wenig, aber spätestens mit der nächsten Hook kriegt die Band dann doch wieder die Kurve.

Zu loben gibt es an „Egomania“ viel: Die vertrackten Drumpatterns, der gefühlvolle Gesang, die abwechslungsreichen Gesangsrhythmen in den Refrains, die ganz und gar nicht formelhaften Leadgitarren und die teils überraschenden Songstrukturen lassen gar keine Langeweile aufkommen. Bisweilen ist das Dauerfeuer mit überladenen Arrangements, durch Keyboard-Teppiche aufgedickte Strophen und emotionsschwangeren Gesangslinien dann aber doch ermüdend, was durch die cleane Produktion noch verstärkt wird. Das ist aber Jammern auf sehr hohem Niveau, denn Spaß machen die elf Songs allemal.

Eigentlich kommt „Egomania“ zur falschen Jahreszeit, denn das hier ist genau die richtige Musik, um breit grinsend im Hochsommer mit Vollgas und offenem Fenster über die Straßen zu brettern. Wer einer Mixtur aus modernem Hard Rock und Power Metal nicht abgeneigt ist, sollte sich den Silberling aber jetzt schon zulegen, denn der nächste Sommer kommt bestimmt!

Tracklist
1. Toast to the Devil
2. The Longing
3. Be
4. My Eden
5. Tear Me Down
6. Love
7. Faith
8. Rave in Hell
9. Antisocial
10. Memories
11. Extinction

Geschrieben von Philipp am 2. November 2021