Wintarnaht - Hriuwa

Wintarnaht – Hriuwa

Talheim Records
2020

Wenn man einer Band zugesteht, sich durch die konsequente Verwendung einer frühen und möglichst unverfälschten Form der althochdeutschen Sprache einen sehr speziellen Alleinstellungsmerkmal erarbeitet zu haben, dann kann eigentlich nur die thüringische Ein-Mann-Band Wintarnaht damit gemeint sein. Ich wüsste zumindest keine andere weitere Band zu nennen, die dermaßen intensiv in die alten sprachlichen Gebräuche unserer germanischen Heimat abtaucht, wie es Grimwald mit persönlicher Vorliebe und aus geschichtlichem Interesse heraus regelmäßig tut. Grimwald ist und bleibt nun mal ein Wanderer auf alten Pfaden, und das auf der lyrischen wie auch musikalischen Ebene. Gleich der das Album einleitende Titeltrack ist eine mit kompromissloser Sorgfalt komponierte Nummer, welche nicht nur mit den typischen Wintarnaht-Klängen aufwartet, sondern auch einen epischen, unverkennbar an Bathory erinnernden Geist atmet und verströmt. Ein in der Regel schwieriges und problematisches Unterfangen, denn schließlich ist Bathorys Soundkonstrukt unnachahmlich, doch wenn man Quorthons Erbe nicht auf Biegen und Brechen und peinlichst genau zu kopieren versucht, sondern sich nur davon inspirieren lässt, kann dies wahrlich schöne Blüten treiben. Und mit „Hriuwa“ haben wir hier definitiv so eine vorliegen: Reminiszenz an ein großes Vorbild, doch mit ganz eigenem, stets brennendem und vor guten Ideen nur so strotzendem Spirit gefüllt! So wird hier die Trauer – so die Bedeutung dieses Songtitels – doch noch in etwas Positives umgewandelt. Die weiteren, keinem bestimmten Konzept folgenden Tracks sind ebenso packend inszeniert und machen aus „Hriuwa“ das bisher beste und abwechslungsreichste Album von Wintarnaht. Hier wird nämlich nicht nur das Bathory-Feeling repliziert, Grimwald hat noch viel mehr zu bieten. Und aus allem lässt sich seine Vorliebe für den klassischen Black Metal der glorreichen Ära der 90er Jahre deutlich heraushören. Packende Gitarrenriffs, verwahrlost wütende Melodiestürme aus dem Keyboard und ausgeklügelte Schlagwerktakte, die so manch eine Stelle des Albums zu einem besonderen Moment erheben (als Anspieltipp würde ich das siebte Stück „Firhazzêt Truhtîn“ nennen wollen), sind hier in Hülle und Fülle anzutreffen. Man muss schon ganz genau hinhören, um alles, was hier einem um die Ohren fliegt, auch richtig wahrnehmen zu können. Die größte Besonderheit ist aber nach wie vor Grimwalds Stimmgewalt. Sie ist sowohl in ruhigem, wehleidiger klingendem Klargesang wie auch im finsteren, schon mal resolut und recht scharf hallenden Keifgesang („Urlagfrôwa“ ist ein schönes Beispiel hierfür) immer passend und auf den Punkt angestimmt und trägt das gesamte musikalische Gerüst auf ihren mächtigen Schwingen regelrecht davon. Doch trotz all der positiven Aspekte muss an dieser Stelle gesagt oder gar gewarnt werden, dass dieses kulinarische Werk des Archaic Black Metals nicht für eine lockere Hörpartie zwischen Tür und Angel geeignet ist. Man muss sich schon bewusst Zeit und die notwendige seelische Ruhe für „Hriuwa“ nehmen, um die Vorzüge dieses Albums voll auskosten zu können.

Tracklist
1. Hriuwa
2. Urlagfrôwa
3. þe Hreôgot
4. þaz tuncel Grabahûfo
5. þez Hraban Swarzi Trahanûn
6. Sîn þiu Erþa
7. Firhazzêt Truhtîn
8. Îr in Flamma
9. Runagaltar

Geschrieben von Adam am 30. Januar 2021