Interview mit Totenwache

Interview mit Totenwache

Totenwache aus Hamburg ist eine Band, die sich redlich und mit unbeirrbarer Beständigkeit einen ganz festen Platz in der deutschen Black-Metal-Szene erarbeitet hat. Der Erfolg ihrer Veröffentlichung „Der Schwarze Hort“ untermauert nur noch diesen Status. Da es stets interessant zu wissen ist, wie eine Band den unverhofften Erfolg auf sich selbst reflektiert, haben wir die Totenwache kurzerhand zu einem Gespräch eingeladen. Dabei hat sich das Trio als ein Kollektiv, was eine eingeschworene Band eigentlich auch immer sein sollte, meinen Fragen gestellt.

Hallo Jungs! Wie ist die aktuelle Lage bei Euch? „Der Schwarze Hort“ ist voll durch die Decke gegangen, was sehr erfreulich ist. Doch habt Ihr mit so einer Entwicklung gerechnet? Könnt Ihr Euch vorstellen, bald vielleicht die Band zu sein, die an der Spitze des deutschen Black Metals stehen könnte?

Moin, Adam! Erst einmal vielen Dank für die Interviewanfrage!

Um ehrlich zu sein, haben wir mit dieser Art von Resonanz keinesfalls gerechnet. Bevor „Der Schwarze Hort“ veröffentlicht wurde, hatten wir mit einem ständigen Auf- und Ab zu kämpfen. Wir haben zwar schon erwartet, mit dem Album unsere Hörerschaft zu erweitern, aber diese explosive Reaktion, die wir erfahren haben und die immer noch anhält, kam für uns völlig unvorbereitet. Was die Spitze im Black Metal, gerade im deutschen, angeht, so muss man vielleicht erst einmal definieren, was die Spitze denn eigentlich sein soll. Gerade jetzt sehen wir die Spitze nämlich eher sehr flächendeckend, da Deutschland eine für uns lang ersehnte Black-Metal-Renaissance erlebt. Eine wirkliche Spitze lässt sich da gar nicht festmachen. Aus jeder Ecke des Landes kommen gute Bands, die ebenfalls zu dieser breiten Spitze gehören. Wir können jedoch ganz offen sagen, dass wir Hamburg bereits eingenommen haben: Die hier ansässigen Bands, die sich „Black Metal“ schimpfen oder schimpften, kann man eigentlich gar nicht als solche bezeichnen. Mit Totenwache sind wir in Hamburg konkurrenzlos an der Spitze, alleine schon mangels Konkurrenz.

Das ist eine sehr bodenständige Einstellung, die Euch in ein gutes Licht rückt. Es bleibt zu hoffen, dass Euch mit der Zeit aber keine Engelsflügel wachsen werden, und Ihr gen (Kommerz)Himmel entschweben werdet, falls Ihr mal den Underground verlassen solltet. Das ist schon so manch einer Band passiert, siehe z. B. Abbath, der nun nicht mehr bei Immortal in die Saiten haut und sich erst letztens wieder in Südamerika zu einem Clown aufspielte. Wie steht Ihr solchen Entwicklungen im Black Metal gegenüber bzw. könnt Ihr überhaupt Verständnis für so etwas aufbringen?

Die Frage, ob Immortal überhaupt noch eine Relevanz für die aktuelle Entwicklung im Black Metal haben, ist schwer zu beantworten. Auch, ob solche Totalausfälle von Szenegrößen dem Black Metal im Generellen ein Image der Pausenclown-Ästhetik verpassen, ist Ansichtssache. Fakt ist aber: Immortal, ebenso wie die meisten True-Norwegian-Black-Metal-Bands aus den 90ern, sind für den heutigen Black Metal doch eigentlich fast irrelevant geworden. Man hört diese Bands, weil es halt KVLT ist. Aber Vorbilder sind sie nur noch für wenige. Und wer glaubt, dass Darkthrone, Immortal & Co. noch etwas mit Underground zu tun haben, der hat die letzten 25 Jahre verschlafen. True Norwegian Black Metal stand sehr hoch im Kurs und war sicherlich mal so etwas wie ein Trend. Und wer glaubt, dass Black Metal keine Trends mehr erlebt, der möchte das wahrscheinlich einfach nicht wahrhaben. Als es noch vor wenigen Jahren Trend wurde, Depressive Suicidal Black Metal zu machen, konnte man kaum in Ruhe aus dem schneebedeckten Wald blicken, ohne eine Depressive-Suicidal-Black-Metal -Band zu entdecken. Natürlich haben nur die guten Bands wirklich überlebt. Doch man muss zugeben, dass Depressive Suicidal Black Metal das „Black Metal“ im Sub-Genre-Titel verdient hat.

Die momentane Entwicklung wiederum verdient diesen Namen nicht. Thrash Metal, Death Metal, Power Metal – wie auch immer – sind klar definierte Genres. Das ist Black Metal zwar ebenfalls, allerdings ist die Atmosphäre darin etwas völlig eigenständiges – und doch ein untrennbarer, unentbehrlicher Teil dieser Musik. Und der momentane Trend für alle Bands außerhalb der wirklichen Undergroundszene liegt darin, diese Atmosphäre – also diesen essenziellen Bestandteil – als etwas Nebensächliches zu betrachten. Black Metal lebt von der Musik, der Ästhetik (auf der Bühne) und den Texten. Es wirkt doch nicht sonderlich authentisch, wenn ein Dutt tragender Flanellhemd-Student Powerchords im Tremolo-Picking auf seiner Gitarre spielt, während der Frontmann mit einer Hardcore-ähnlichen Gebärdensprache mit weinerlichem Gutmenschen-Unterton ungemein pseudointellektuelle Texte wiedergibt. Es reicht eben nicht, sich nur die technischen Gegebenheiten – nur die Außenhülle sozusagen – des Black Metals eigen zu machen und dann auf die unabdingbare Essenz zu verzichten. Wer wirklich wissen will, was gerade Black Metal alles zu bieten hat, gräbt nicht in den Regalen des örtlichen Elektronikfachhandels, sondern im Underground.

So muss das sein! Doch einen Gender Award oder etwas in der Art werdet Ihr damit wohl nicht abstauben können. Auch wird man Euch in den großen Metal-Magazinen womöglich kaum Beachtung schenken noch eine Zeile spendieren wollen (es sei denn, Ihr erkauft Euch dort den heiß umkämpften Platz). Oder haben die großen Mags doch schon irgendeine Notiz von Euch vernommen? Aber ich vermute, das ist Euch eh Schnuppe, oder?

Wenn man von dem Review im Legacy mal absieht, so werden wir tatsächlich von den großen Print- und Online-Metal-Magazinen ignoriert. Woran das genau liegt, können wir nicht beurteilen. Dadurch, dass aber viele verschiedene Magazine, Blogger und YouTuber über „Der Schwarze Hort“ ihre Meinung kundtaten, können wir uns nur schwer vorstellen, das die Redakteure der großen Zeitschriften nichts von uns gehört haben. Wirkliches Interesse besteht von unserer Seite aus allerdings sowieso nicht. Wir vertrauen diesen Redaktionen nicht, sich wirklich mit Black Metal auszukennen oder zu beschäftigen. Wer sich wirklich für das Genre interessiert, liest Magazine wie eben Waldhalla, Blogger wie Black Salvation oder schaut YouTuber wie Doc Rock. Der echte Black Metal Fan geht nicht an den Kiosk, um gebannt im Metal Hammer die neuen Underground Black Metal Reviews zu lesen. Ein kleiner Rest morbides Interesse besteht dennoch, einfach nur um zu wissen, was man wohl für Stuss über uns schreiben würde.

Haha, die Neugier stirbt zuletzt… Nun, wer weiß, was die Zukunft noch so bringen wird. Aber um wieder auf Euch zurückzukommen: Wo seht Ihr Euch selbst verankert? Würdet Ihr Euch evtl. selbst so einen Slogan wie etwa „True German Black Metal“ an die Kutten anheften? Und was ist Eurer Meinung nach das Spezielle, was diese ganz besondere und essentielle Atmosphäre in Eurer Musik ausmacht?

Der Begriff „True“ ist inzwischen selbst zu einem Witz geworden. Neudeutsch vielleicht auch als „Meme“ zu bezeichnen. Daran haftet leider auch viel Spott, weil true oft mit engstirnig gleichgesetzt wird. Wir sehen es aber eher so, dass diese Engstirnigkeit in den ganzen Jahrzehnten den Black Metal am Leben gehalten hat. True bedeutet für uns also eher traditionell. Und in genau diesem Sinne sind wir „True“ und „German“. Wir machen, grob gesagt, Black Metal im Stile der zweiten Welle, mit viel Inspiration aus Finnland und Deutschland, hier und da mit einigen beigemischten Einflüssen aus Frankreich. Wirklich etwas Besonderes mag das nicht sein, aber der Stil, in dem wir schreiben, ist es schon ein wenig. Animatrums Art Black Metal zu komponieren ist oft eher episch, wohingegen Host of Cinders Gitarrenspiel eher auf Eingänge und catchy Riffs gepolt ist. Letztendlich läuft aber alles zusammen und übereinander. Aus dem Grund ist auch Valfor ein ebenso wichtiges Mitglied. Er schafft es, die Ideen, die Animatrum und Host of Cinder vorbringen, perfekt zu untermalen. Von daher ist es uns sehr wichtig, dass jeder ein gleichwertiges Mitspracherecht bei Totenwache hat. Wir drei bilden eine Einheit, keiner ist ein egomanischer Einzelgänger. Meinungen und mögliche Kritik zu jedem Beat, jedem Riff und jeder Textzeile werden wahrgenommen und besprochen. Und genau dort liegt wahrscheinlich die Antwort: Unsere Musik, das sind wir drei als Einheit! Es landet kein Song in den Ohren unserer Hörer, von dem wir selbst nicht zu 100% überzeugt sind.

Der Zuspruch, den Ihr erhaltet, gibt Euch auch Recht und bestätigt, dass Ihr alles richtig macht. Einen Totalausfall gibt es auf Euren bisherigen drei Veröffentlichungen auch nicht, eher im Gegenteil, da herrscht eine enorme Hitdichte, wenn man es so sagen könnte. Dennoch werdet Ihr scheinbar mehr von den ostdeutschen Metal-Gemeinden wahrgenommen als von der hiesigen Bevölkerung, was sich schon alleine von den Ortschaften Eurer bisher gespielten Gigs ableiten lässt, nicht wahr? Den Hauch einer Ahnung, woran das liegen könnte?

Kurz gesagt: Wertschätzung. Es ist kein Geheimnis oder etwas Neues, dass gerade der Osten Deutschlands in den Black Metal verliebt ist. Da muss man nur schauen, welche deutschen Größen gerade aus dieser Region stammen. Grundsätzlich stimmt es aber, was Du zwischen den Zeilen fragst: Von uns, also dem Norden aus gesehen, ist das Genre quasi ausgestorben, was wahrscheinlich viele Gründe hat, die alle irgendwie zusammenspielen. Speziell Hamburg hat aktuell das Problem der politischen Radikalisierung der ganzen Musikszene. Und wer sich nicht dazu bekennt, ist auch kein Teil von ihr und wird sträflichst ignoriert. Ein weiterer Grund ist, dass sich im Grunde alle Black-Metal-Bands aus Hamburg vom Genre abgewandt haben. Ob nun durch Auflösung oder Veränderung des Musikstils, das sei Mal dahingestellt. In Hamburg finden zwar immer noch Black-Metal-Gigs statt, das sogar noch etwas zahlreicher als in den Jahren zuvor, doch die Veranstalter möchten uns dort offensichtlich trotzdem nicht sehen, denn Anfragen trudeln bei uns nicht ein. Die kommen, wie schon von Dir erwähnt, fast ausschließlich aus dem Osten.

Das ist natürlich irgendwie blöd, denn beim Metal sollte stets die Musik im Vordergrund stehen und die Politik komplett außen vor. Doch wo wir schon gerade beim Stichwort politische Radikalisierung sind: Habt Ihr nicht etwaige Bedenken, dass man Euch irgendwann vielleicht in der rechten Ecke sehen könnte? Ihr wisst es ja selbst am besten, wie wenig es dazu braucht; es reicht vielleicht schon, dass eine bekannte zwielichtige Person auf einem Konzert von Euch gesichtet wird, um die unsinnigsten Gerüchte entstehen zu lassen. Zudem könnte Eure sehr direkte, nicht gerade zimperliche Art Lyrics zu schreiben vielleicht auch noch einen Anteil dazu beitragen, denn das rechte Pack liebt solche Vorstellungen, die von Euch an die Wand geworfen werden.

Black Metal und Politik sind für uns zwei völlig verschiedene Welten, die nicht zusammenpassen. Deswegen findet diese Zusammenführung bei uns auch nicht statt. Innerhalb von Totenwache haben wir von Anfang an entschieden, dass wir weder politische Texte schreiben noch irgendwelche politische Symbolik verwenden werden. Keiner von uns fühlt sich politisch dermaßen motiviert, um irgendeine Partei oder politische Richtung präsentieren zu wollen. Würden wir auf diesen Zug aufspringen, so wäre das nicht nur dumm sondern auch heuchlerisch. Dennoch glauben wir, dass wir irgendwann sowieso in die rechte Ecke geschoben werden, und das alleine nur deswegen, weil wir Black Metal machen. Das reicht den meisten „Kritikern“ schon aus. „Unschuldig, bis die Schuld bewiesen wurde“ ist ein Grundprinzip, das in der Musik zum Tabu geworden ist. Wir könnten zwar klar und deutlich mit einem Statement dagegen wirken, aber das passt nicht zu uns, passt nicht zu Totenwache. Keine politische Haltung einzunehmen bedeutet auch, sich überhaupt nicht zu äußern. Genau aus diesem Grund werden wir das auch niemals machen. Unsere Musik steht an vorderster Front! Wem das nicht passt oder wer lieber möchte, dass eine Band einer Ideologie oder Agenda folgt, der ist bei uns falsch.

Man wird ja sehen können, was die Zukunft noch so alles für Euch parat hält. Hoffen wir zumindest, dass Ihr von diesem politischen Schundspiel verschont bleibt. Viel eher könnte man Euch doch in dem satanischen Sektor sehen, oder? Schließlich habt Ihr auch zwei Antikreuze im Logo verbaut, was auf eine antichristliche Grundhaltung rückschließen lässt. Wie stark ist diese denn bei Euch ausgeprägt? Man vernimmt es doch immer wieder aus irgendwelchen Ecken, dass das Thema Kirche und Christentum im Black Metal schon bis zum Gehtnichtmehr ausgelutscht ist. Seht Ihr das auch so? Oder lohnt es sich noch das schon ohnehin sehr zermatschte Antlitz der Kirche weiterhin mit den verbalen Fäusten zu bearbeiten?

Unser Logo ist, ebenso wie unsere Bühnenästhetik, traditionell bestimmt. Die Antikreuze symbolisieren im Grunde nicht nur unsere Antihaltung zum christlichen Glauben sondern auch die typische, nihilistische Denkweise im Black Metal: Alles verneinen, hinterfragen, nichts für bare Münze nehmen. Wir sehen uns auch nicht als Satanisten oder Antichristen per se; diese Thematik interessiert uns nur peripher. Texte, in denen „Heil Satan“ die Grundrichtung vorgibt, werden wahrscheinlich nie bei uns Einzug halten. Alles, was uns im Zusammenhang mit diesem Thema beschäftigt, das haben wir schon mit „Gloria Antichristi“ gesagt. Doch Religion an sich bietet eine gute Grundlage für eine Zielscheibe. Das Christentum im Speziellen, besonders der katholische Glaube, ist aus unserer Sicht wirklich überholt. Man findet antichristliche Symbole inzwischen auch in Schaufenstern der hiesigen Modeketten. Der Kirche weder Glauben noch Geld zu schenken, ist im Mainstream angekommen, was eigentlich eine gute Sache ist. Aber als eine Black-Metal-Band muss man ganz andere Register ziehen, um damit wirklich Leute provozieren zu können, auch wenn sich das oftmals als schwierig erweist. Die Leute, die nicht Mal mit der Wimper zucken, wenn man die Ausrottung des Christentums fordert, sind meist die gleichen, die zum Mörser der Vernunft werden, wenn man das Gleiche über den Islam sagt. Wir dagegen sehen darin keinen Unterschied. Vielleicht wird deshalb in Zukunft auch der pädophile Prophet, der laut dem Islam eine 9-jährige geheiratet hat und jedem „Ungläubigen“ den Tod wünscht, genug Platz in unseren Texten für sich finden. Letztendlich hat aber auch die Kirche genug Gräueltaten begangen, die sie niemals wieder ins rechte Licht rücken lassen wird. Die Kirche als Institution ist etwas Schreckliches. Unter dem Deckmantel der Nächstenliebe werden Menschen unterdrückt, gemordet und Kinder vergewaltigt. Jeder Glaube hat den Menschen mehr geschadet, als jeder bisherige Krieg. Und genau darum können wir auch nur wiederholen: Vernichtet das Pack, wo auch immer sie nisten! Tot den gläubigen Schafen! Sieg den Antichristen!

Ich sehe in Religionen immer dasselbe fatale Prinzip: Ausschließung der Andersdenkenden gepaart mit einer unsäglichen Angst vor einer bösen Macht. Und diese böse Macht wird immer den Andersdenkenden angedichtet, was zu einer endlosen Hass- und Todesschleife führt. Ein Prinzip, dass übrigens auch den Nationalsozialismus nährte und immer noch nährt und aktuell die (noch ungefährlichen) totalitären Ökobewegungen zu streicheln beginnt. Wie steht Ihr der immer größere Ausmaße annehmenden „grünen Welle“ gegenüber? Mit dem Titel „Verbrannte Erde“ habt Ihr, so scheint es, die seherische Fähigkeit eines Propheten gehabt zu haben, wenn man sich das Hölleninferno in Australien mal so ansieht. Zufall, oder war dies vorhersehbar? Ist unser Ende nah? Die nächste, globale Probleme verursachende Plage in Form von Heuschrecken in Afrika klopft auch schon an unserer Tür…

Falls es einen Gott gibt, sind das womöglich die zehn modernen biblischen Plagen, die wir durch unser sündhaftes Leben über uns gebracht haben. Aber so einfach ist die Erklärung nicht. Letztendlich kennen wir die Antwort, warum nun gerade jetzt in Australien solche Brände wüten, nicht wirklich. Wir leben dort nicht und haben uns mit diesem Thema auch nicht wissenschaftlich auseinandergesetzt. Wahrscheinlich gibt es hierfür diese eine (globale) Antwort auch nicht. Es wäre zumindest schon sehr bezeichnend, dass es gerade bei dieser Katastrophe nur eine tatsächliche Antwort, die das alles erklären würde, geben sollte. Außer natürlich die Antwort ist 42.

Die Ökobewegungen – hier im folgenden Fridays for Future als Beispiel – sind sehr zwiespältig zu betrachten. Umweltschutz ist ein Thema, das zumindest jeden Menschen interessieren sollte, weil ohne einer intakten Umwelt unsere Überlebenschancen drastisch absinken. Soviel sollte doch jedem klar sein. Die Ziele der Fridays-for-Future-Bewegung sind also im Grunde nachvollziehbar und völlig in Ordnung. Der geforderte Weg, um diese Ziele zu erreichen, könnte allerdings nicht zynischer oder gar menschenfeindlicher sein. Was Fridays for Future im Grunde fordert, das ist eine sofortige und radikale Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen Lebensumstände, damit die jungen und späteren Generationen in Zukunft besser leben können. In welcher Art und Weise das passieren soll, kann man jeden Freitag selbst beobachten. Der WDR hat 2019 eine sehr gute Dokumentation über Fridays for Future gedreht. Dabei wurde die Ökobewegung lediglich mit der Kamera verfolgt, es wurde kein Kommentar vom Sender bzw. dem Drehteam abgeben. Jeder Zuschauer kann sich somit ein eigenes Bild über diese Bewegung und deren Auswüchse machen. Den meisten Menschen hinter der Fridays-for-Future-Bewegung sind die familiären Zusammenhänge von heute egal. Ihre Ziele stehen über dem Überleben der heutigen Generation. Ob nun ein Kohlekraftwerk geschlossen oder ein Atomkraftwerk niedergelegt wird, das scheint egal zu sein. Welche Konsequenzen den Familien der betroffenen Mitarbeiter dadurch entstehen, interessiert Fridays for Future nicht. Hauptsache Fridays for Future und deren politische Agenda werden ohne Wenn und Aber durchgesetzt. Dabei entgeht einem natürlich nicht die Ironie, dass gerade eine extrem links orientierte Gruppierung so massiv gegen die Menschheit (Vorsicht: Klima-Kalauer!) wettert, wie es eine Black-Metal-Band kaum authentischer hätte machen bzw. rüberbringen können.

Wer weiß, vielleicht wird der neue Corona-Virus bald alle Probleme der Menschheit schnell und effizient bereinigt haben, haha… Und Ihr meint also, die Texte von „Verbrannte Erde“ oder „Urteil: Niedergang“ sind nicht radikal genug? Ist dies noch steigerungsfähig bzw. wäre es von Eurer Seite wünschenswert, zukünftig noch extremer mit Totenwache auftreten zu müssen? Und was mich auch noch interessieren würde: Wofür steht eigentlich die Burg in Eurem Logo? Vielleich für Eure konservative Einstellung im Black Metal? Oder seid Ihr so modernen Themen wie z. B. dem in China geplanten Social-Scoring-System nicht abgeneigt?

Wir sind einfach offen für verschiedene Grade von radikalen Texten. Wenn sich jemand von unseren Lyrics vor den Kopf gestoßen fühlt, ist das eher eine Anerkennung. Wir arbeiten aber nicht aktiv darauf hin. Was sich natürlich während des Schreibprozesses entwickelt und sich auch passend anfühlt, das wird weiter ausgebaut. Kunst wird doch oft dadurch erst interessant, wenn Grenzen ganz und gar eingerissen werden. Da erübrigt sich auch die Frage, ob Kunst so etwas darf.

Die Bedeutung der Burg ist wandelbar, auch für uns. Es gibt keine tatsächliche Wahrheit hinter „Der Festung“, wie wir die Burg nennen. Jeder der vermutet, es würde sich dabei um die Hammaburg handeln, liegt damit genauso richtig wie diejenigen, die es als symbolische Totenwache betrachten. Um es ganz plump zu sagen: Es ist einfach ein eigenständiges Logo, was einen sehr hohen Wiedererkennungswert hat. Und es ist zudem lesbar, was uns schon bei der ersten Erstellung wichtig war.

Totenwache ist für uns auch eine Art Flucht vor der Wirklichkeit. Keine politischen Themen, keine Diskussionen in Medien, keine Nachrichten, die einem die Verzweiflung ins Gesicht meißeln. Deswegen reden wir auch nur selten über moderne Themen, aktuelles Geschehen oder alltägliche Politik. Darüber denkt jeder für sich im Privaten mehr oder weniger nach. Wie schon gesagt: Keine politische Haltung einnehmen, heißt auch, sich gar nicht zu äußern.

Ein ganz klares Statement, mit dem Ihr niemanden eine Angriffsfläche bietet und wohl zusätzlich auch deshalb so beliebt seid, im Underground zumindest. Eure CDs und auch die eine LP sind mittlerweile komplett vergriffen, nicht wahr? Eine Leistung, von der große Labels wohl jede Nacht träumen. Habt Ihr denn keine Anfragen von diversen Labels zwecks einer Zusammenarbeit erhalten? Oder habt Ihr ganz bewusst alle Anfragen abgelehnt, da Ihr keine Kooperation mit einem Label anstrebt?

Unsere erste Auflage der CDs ist bereits vergriffen. Daher haben wir uns auch zu einer zweiten entschieden. Die Tape-Version, die über Worship Tapes veröffentlicht wurde, ist, soweit wir wissen, auch nicht mehr zu haben. Bei Purity Through Fire, welche die Vinyl-Auflage für uns gepresst haben, sind auch nur noch wenige LPs übrig. Darüber freuen wir uns natürlich sehr und sind auch immer noch dankbar für jede Unterstützung. Ob ein Label jetzt oder in Zukunft für uns in Frage kommt, das können wir uns momentan selbst nicht beantworten. Es gibt Kontakte und Unterhaltungen, aber noch haben wir nicht das eine Label für uns gefunden. Neben den Konditionen ist uns auch das Menschliche wichtig. Da Labels in unserer Sparte meistens von nur ein oder zwei Personen geführt werden, muss die Zusammenarbeit natürlich stimmen. Ohne ein Label genießen wir gewisse Freiheiten. Uns nicht in Musik, Ästhetik oder Merch reinreden zu lassen, ist eine große davon. Natürlich werden die meisten Underground-Labels von so einem Verhalten Abstand nehmen, die Gefahr besteht aber trotzdem. Die Zügel von Totenwache halten wir gerne in den eigenen Händen und haben lieber völlige Entscheidungsfreiheit, als uns jemanden unterzuordnen, der nur Profit durch uns erzielen möchte.

Ja, Profitgeier gibt’s wie Sand am Meer, leider auch im Underground, wie man manchmal feststellen muss… Doch was haltet Ihr eigentlich von Streaming-Diensten? Gut oder ist nur die Vinyl wirklich real? Denkt Ihr vielleicht auch, dass so Plattformen wie Spotify sich mit den Träumen und Hoffnungen unzähliger Künstler, schnell bekannt bzw. berühmt zu werden, zu Unrecht eine goldene Nase verdienen? Oder seht Ihr das etwas anders? Krieg den Streaming-Diensten?

Da wir sowohl im Privaten wie auch für Totenwache Streaming-Dienste verwenden, sehen wir das nicht so eng. Letztendlich ist es nur eine weitere Variante, damit uns die Leute hören können. Musik per Stream oder Vinyl zu hören, macht die Musik nicht besser oder schlechter. Beim analogen Musikhören geht es ja auch mehr um das Gefühl an sich. Aber wir bevorzugen keine Variante. Wir möchten so viele Optionen wie möglich anbieten. Von daher wird unsere Musik auch in Zukunft auf der digitalen Bahn, auf CD, Vinyl und Kassette zu haben sein. Und wer mit Black Metal reich und/oder auch berühmt werden möchte, dem ist eh nicht mehr zu helfen.

Man kann das natürlich auch ganz pragmatisch sehen. Ist vielleicht sogar der allerbeste Weg. Doch lasst uns noch kurz etwas weiter in die Zukunft denken. Was steht als nächstes bei Euch an? Ein weiteres Album womöglich? Ihr tourt zudem noch als Live-Besetzung von Mavorim durch die Klubs und helft Baptist enorm dadurch aus. Bleibt das auch eine feste Konstante bei Totenwache?

Bei Mavorim hat sich wirklich viel getan, die Band hat sich quasi vom Geheimtipp zum deutschen Black-Metal-Monster entwickelt. Deswegen mussten Host of Cinder und Animatrum, durch ihre stetige Einbindung sowohl bei Totenwache als auch bei Mavorim, auch leider die Entscheidung treffen, Baptist nicht mehr bei seinen Live-Auftritten zu unterstützen. Das ist zwar nicht ausgeschlossen, wird aber wahrscheinlich nur noch selten oder nur zu besonderen Anlässen passieren. Valfor hingegen wird auch weiterhin bei Mavorim live und auf Platte zu hören sein. Generell ist Valfor von uns der aktivste Musiker. Totenwache, Asenheim, Mavorim und demnächst auch noch Slagmark mit Revenant von Sarkrista. Animatrum und Host of Cinder sind bisher in keinen anderen Projekten involviert, doch diese Optionen bleiben für die Zukunft auf jeden Fall offen.

Für dieses und auch schon das nächste Jahr stehen ziemlich viele Notizen auf unserem Terminplan. Zunächst wird es eine 4-Track-EP mit dem Titel „Kriegswesen“ geben. Einen winzigen Einblick zu diesem Werk konnte man bereits auf unserer Facebook-Präsenz Ende des letzten Jahres erhaschen. Wir sind aber noch nicht so weit, um schon nähere Details dazu preisgeben zu können. Damit ist dieses Jahr aber noch nicht abgeschlossen. Wir haben auch noch eine Überraschung geplant. Doch mehr sagen wir dazu jetzt nicht. Nächstes Jahr wird dann wahrscheinlich unser nächstes Album in den Startlöchern stehen. Die ersten Schritte dahingehend sind auch bereits getan.

Das klingt definitiv alles sehr spannend, Ihr bleibt weiterhin unter strenger Beobachtung stehen, haha… Jungs, habt Dank für dieses durch und durch sehr aufschlussreiche Gespräch! Das letzte Wort gebührt Euch!

Wir möchten ebenso einen Dank für dieses tolle Interview aussprechen! Dank geht auch an alle, die uns bisher unterstützt haben und es weiterhin machen. Und ein ganz besonderer Gruß geht an all die Gesichter, die man immer und immer wieder auf den Konzerten sieht!

Geschrieben von Adam am 15. Februar 2020