Interview mit Gergovia

Interview mit Gergovia

Die französische Ein-Mann-Armee Gergovia liefert in einem relativ kontinuierlichen Tempo ein Album nach dem anderen ab, und das durchweg auf einem ziemlich hohen qualitativen Level. Nach der letzten, bockstarken Veröffentlichung mit dem Titel „In Requiem Aeternam“ ist es nun allerhöchste Eisenbahn, um einen Blick über die Schulter von Lord Necron zu werfen und ihn zu seiner scheinbar endlosen Motivation zu befragen.

Ich begrüße Dich zu dieser kleinen Fragerunde Lord Necron! Du bist ziemlich aktiv, um nicht zu sagen unermüdlich, wenn es darum geht, Gergovia nach vorne zu bringen. Elf ganze Alben seit der Gründung im Jahre 2004 – das muss Dir erst einer nachmachen! Was treibt Dich dazu an? Verfolgst Du ein bestimmtes Ziel?

Vielen Dank für das Interesse an meiner bescheidenen Ein-Mann-Band! Zunächst einmal möchte ich eine kleine Korrektur vornehmen: Gergovia zählt nur zehn Alben und nicht elf; ich bin zwar produktiv, aber doch nicht so sehr. (lacht) Ich weiß auch nicht, ob ich unermüdlich bin, letztendlich versuche ich musikalisch nur das auszudrücken, was mir auf dem Herzen liegt, so wie alle anderen Musiker auch. Dadurch, dass ich alleine agiere, macht die Sache ebenfalls viel einfacher, ich muss bei keiner Entscheidung irgendwelche Kompromisse eingehen, wie es in echten Bands wohl meistens der Fall sein wird. Zudem gibt es auch keine Probleme mit dem Line-Up, und wenn die Hörer etwas an meiner Musik auszusetzen haben, dann kann ich nur mir selber die Schuld dafür geben. Viel komplizierter ist es, sich immer wieder neu zu erfinden, und nach zehn Alben wird es erst recht nicht einfacher. Die Tatsache, dass ich seit der Aufnahme des letzten Albums nicht mehr auf meiner Gitarre gespielt habe, bestätigt nur diese Aussage.

Mittlerweile denke ich auch, dass es an der Zeit ist eine Pause einzulegen. Vielleicht wird es auch kein weiteres Gergovia-Album mehr geben. So genau weiß ich es aber selber noch nicht, die Zukunft wird es zeigen.

Nun gut, aber die metallischen Archive führen elf ganze Alben auf. Hat sich da etwa der Fehlerteufel irgendwo eingeschlichen? Aber davon abgesehen, wieso hast Du Dich für den Bandnamen Gergovia entschieden? Eine kurze Recherche ergibt, dass Gergovia die befestigte Hauptsiedlung bzw. Stadt des gallischen Volksstammes der Arverner gewesen war. Verbindet Dich irgendetwas mit der Geschichte dieses Volkes bzw. was möchtest Du mit Deiner Musik vermitteln?

Bei den Metal Archives ist bei der Aufzählung der Alben ein Fehler unterlaufen. Das Album „Si Vis Pacem Para Bellum“ wird da gleich zweimal aufgeführt, es ist aber nicht schlimm…

Ja, Gergovia ist der Name eines Plateaus in der Region Auvergne. Dieses dominiert die Ebene der Limagne, welche im Herzen einer Vulkankette liegt. Es ist auch der Ort, an dem Vercingetorix die Legionen von Cäsar besiegte. Die Texte meiner ersten Alben orientieren sich auch an dieser Thematik. Sie handeln von meiner Region und meinen Vorfahren; es sind Identitätstexte, die von Ehre, Respekt und Stolz erzählen. Ich selbst fühle mich stark mit meiner Region und meinen Vorfahren verbunden. Man wird doch erst durch seine Wurzeln zu dem Mann, der man ist. Ohne Wurzeln ist man nichts, und die Werte, für die man einsteht bzw. die man verteidigt, verlieren an Glaubwürdigkeit. Um zu wissen, wohin man gehen möchte, ist es zunächst wichtig zu wissen, woher man kommt.

Auvergne ist in der Tat sowohl geographisch wie auch historisch eine sehr interessante Region. Allein die Erzählungen über Vercingetorix, der im 19. Jahrhundert zu einem sehr wichtigen, mythischen Helden des französischen Volkes avancierte, kann sicherlich viele Bücher wie auch Musikalben füllen. Erfüllt diese historische Größe auch eine gewisse Vorbildfunktion für Dich persönlich? Und ab wann und warum und in welche spezielle Richtung hast Du das Themengebiet für Deine weiteren Alben gewechselt?

Es ist nicht so sehr die Person des Vercingetorix an sich, die mich inspiriert, sondern vielmehr diese Ära, in der er lebte, die alten Lebensweisen, Bräuche, Überzeugungen…

Die Themen in meinen Songs veränderten sich nach und nach, bis sie allmählich zu dem wurden, was sie heute sind. Eine Entwicklung, die sich mit dem Album „Silence!“ abzuzeichnen begann. Es sind aber definitiv immer noch Identitätstexte, in ihrem Kern jedoch viel dunkler. Man muss schon zwischen den Zeilen lesen, um ihre wahre Essenz zu erkennen. So wie die Musik sich entwickelt, entfalten sich die Texte.

Klingt so, als würdest Du Dich in unserer modernen Zeit nicht gut aufgehoben fühlen. Ist dem so? Und was genau möchtest Du damit zum Ausdruck bringen, indem Du von Identitätstexten sprichst? Sollen sie in Kombination mit der Musik womöglich die Vaterlandliebe bei den Hörern entfachen? So gesehen sind sie dann aber primär an französische Hörerschaft gerichtet, oder?

Die Zeit, in der wir leben, ist völlig verrückt. Der Westen hat sich zu einer dekadenten, von allen Lastern befleckten Zivilisation entwickelt. Unsere Demokratien sind zu stillen Diktaturen geworden, zu Diktaturen von Minderheiten wie etwa Feministen und Ökologen, durchfurcht von Dekolonisation, Indigenismus und massiver Immigration. Wenn man das Unglück hat, anders zu denken, wird man wie Scheiße behandelt!

Meine Texte sind nicht nur an das französische Volk adressiert, im Gegenteil, sie sind an alle Menschen auf der Welt gerichtet. Man sollte stolz auf seine Herkunft, seine Traditionen, seine Kultur und seine Vorfahren sein. Nicht überall dort, wo man den Faschismus vermutet, ist dieser auch am Wirken!

Nun, das ist eine recht gewagte und radikale Denkweise bzw. Aussage… Was hast Du aber z. B. gegen die Entkolonialisierung auszusetzen? Gerade die Kolonialisierung ist doch nicht unbedingt ein feiner und menschlicher Schachzug gewesen… Fühlst Du Dich vielleicht selbst auf irgendeine persönliche Art und Weise wie Scheiße behandelt, um es mal mit Deinen Worten auszudrücken? Und da Du schon den Faschismus erwähnst: Der Teufel versteckt sich oft in der Kirche, heißt es doch so schön, also genau dort, wo man ihn nicht vermuten würde. Ich nehme an, Du zielst darauf ab, dass durch den Faschismus einige wichtige, ehemals hochangesehene Werte und Ideale dermaßen in den Dreck gezogen wurden, dass sie in den Köpfen der Menschen nie mehr so rein werden können, wie sie es früher waren. Und das stört Dich, ist es nicht so?

Ich befürworte die Kolonialisierung in keiner Weise! Doch andererseits spucke ich offen auf diese neuen postkolonialen Bewegungen, die andere Menschen für irgendetwas zur Verantwortung ziehen wollen, die mit den damals gemachten Gräuel absolut nichts zu schaffen haben. Niemand, weder ich noch jemand anders ist für die Fehler unserer Vorfahren verantwortlich. Es ist in etwa so, als wäre ich noch heute über die italienischen Völker verärgert, weil die Römer einst in Gallien einmarschiert sind!

Und ich verteidige auch nicht den Faschismus! Deine Frage impliziert, dass ich womöglich nostalgisch gegenüber dem Faschismus sein könnte. Dabei beanspruche ich nur mein volles Recht, meine Identität und meine Lebensweise zu behalten! Und dies sollte sich bei allen Menschen auf der Erde so verhalten, sie dürfen stolz auf ihre Bräuche, auf ihre Wurzeln sein. Werde ich dann als Faschist bezeichnet, wenn ich diesen Gedanken und diese Lebensweise verteidige, bis es bewiesen ist, dass ich niemanden dazu zwinge, so zu denken oder zu leben wie ich? Auf der anderen Seite möchte ich nicht, dass mir jemand eine Lebensweise oder eine Vorstellung aufzwingt, die nicht die meinigen sind. Das verteidige ich, und es ist etwas, das mit der Globalisierung zerstört und vernichtet wird. Alle Spuren von Identitäten, alle Formen der völkischen Unterschiede auslöschen, das ist wahrer Faschismus!

Entschuldige, ich wollte in keinster Weise auch nur andeuten, dass Du etwas mit dem Faschismus zu tun haben könnest. Würde ich so denken, dann hätte ich Dich erst gar nicht zu diesem Interview eingeladen. Aber so, wie Du die Lage darstellst, ist sie mittlerweile wirklich in vielen Gebieten der Welt anzutreffen, denke ich. Die Menschen werden immer unzufriedener, denn die Globalisierung dient vor allem nur der Wirtschaft und den Superreichen und kaum bis gar nicht den einfachen Menschen bzw. dem Volk. Doch das ist ein Thema, das ganze Abende füllen könnte. Um aber wieder zu Deiner Musik zurückzufinden: Die Musik Deines aktuellen Albums ist unüberhörbar von einigen Industrial-Elementen durchzogen. Ist das ein neuer Trend von Dir, der die Übertragung der alten Werte in die Moderne symbolisieren soll?

Ich bin mir sicher, dass der Faschismus heutzutage in all diesen sogenannten „modernen“ und „progressiven“ Strömungen zu finden ist, die uns bei einer Abweichung von ihrem Gedankengut direkt in den Schlamm zu ziehen versuchen. Deshalb verteidige ich die alten Werte und ihre Wurzeln, seitdem ich Gergovia gestartet habe. Im Zuge dessen habe ich auch oft mit dieser einzigartigen Art des Denkens zu tun. Doch wie Du schon sagst, man könnte ganze Abende mit solchen Diskussionen verbringen…

Zurück zur Musik also: Strenggenommen stehen diese Elemente nicht für eine Übertragung der alten Werte in die Moderne; sie sind vielmehr ein Ausdruck der Gewalt und der Dekadenz dieser neuen Welt, einer Welt, in der ich immer weniger meinen Platz finden kann. Für mich stehen diese industriellen Klänge symbolisch für das Ertrinken in dieser Welt da und harmonieren perfekt mit der heutigen Musik von Gergovia.

Das ist eine plausible Erklärung! Nachdem ich mich nun aber auch ein wenig durch Deine Diskographie durchgewühlt habe, muss ich zugeben, dass Du insgesamt äußerst kreativ zu Werke gehst. Wundert mich ein wenig, dass Du bisher noch nicht unter dem Dach eines der großen französischen Labels untergekommen bist. Hast Du Dich noch nie bei denen vorgestellt? Und wie beurteilst Du insgesamt die aktuelle Metal-Szene in Frankreich?

Vielen Dank für das Kompliment! Alle Labels aus Frankreich haben irgendwann eines meiner Alben erhalten, aber offensichtlich interessiert sich keines von ihnen für meine Musik. In erster Linie mache ich die Musik auch für mich selbst, und ich kann niemanden zwingen meine Musik zu mögen. Und um ehrlich zu sein, ich habe auch keinen neuen Stil erfunden, noch mache ich eine besonders spezielle Musik. Vielleicht interessieren sich die französischen Labels deswegen nicht für mein bescheidenes Projekt.

Ich weiß nicht, wie ich die französische Szene einschätzen soll. Ich setze meinen Weg fort, ohne mir Fragen über sie zu stellen. Wer meine Musik mag, der folgt mir.

Wenn Du einem potenziellen Hörer Deine Musik anhand einige Beispiele vorstellen müsstest: Welche drei Songs aus all Deinen Alben würdest Du dafür auswählen?

Ich denke, „Eruption Volcanique“, der erste Track aus meinem ersten Album „Déclaration de Guerre“, ist ein simpler, effektiver und kalter Titel. Dann „Bruit de Bottes“, ein stark von Black ’n‘ Roll geprägter Song mit einer kriegerischen Atmosphäre, und abschließend die Nummer „Requiem Aeternam“ vom aktuellen Album, welche einen guten Eindruck von dem neuen Gergovia-Gesicht vermittelt. Aber um ehrlich zu sein, ist Deine Frage alles andere als einfach, denn aus den fast 90 Titeln meiner Diskographie eine Wahl zu treffen, das ist wahrlich schwer.

Gute Wahl! Ich möchte nun jedem Leser empfehlen, sich mal auf dieses kleine Experiment einzulassen und sich die drei Songs von vorne bis hinten durchzuhören. Bin mir sicher, dass der eine oder andere bei Gergovia hängen bleiben wird. Ich danke Dir für Deine Auskunft und Deine Zeit Lord Necron! Weiterhin alles Gute für die Zukunft!

Ich danke vielmals für den Support und Deine Fragen!

Geschrieben von Adam am 19. April 2021