Leichenschrei - When Corpses Scream

Leichenschrei – When Corpses Scream

Eigenproduktion
2021

Es gibt Bands, die existieren eine halbe Ewigkeit, haben Talent und Power, kommen aber irgendwie nicht so wirklich aus dem Quark. Leichenschrei aus Bayern ist so eine Band. Bereits 2003 gegründet (zunächst noch unter dem Namen Seelenfeuer), hat sie bis Ende der 2020er Jahre keinen einzigen Tonträger realisieren können, und nun, nachdem der Ofen scheinbar aus ist (ein Hintertürchen für einen Neustart scheint aber doch noch irgendwo vorhanden zu sein), bringt sie noch auf die Schnelle eine auf nur 200 Exemplare limitierte Doppel-CD in Eigenregie heraus; als eine kleine Spur, als ein handfester Beweis ihrer gelebten Existenz sozusagen. Die Musik, von häufigen Besetzungswechseln geprägt, wird von der Band selbst als Death Metal klassifiziert, wobei sie sehr deutlich hörbar mit Einflüssen aus Thrash und klassischem Heavy durchzogen ist. Man könnte also denken, das Ding sei womöglich die zarteste Versuchung, seit es Death Metal gibt. Ein Stück weit ist dies gewiss auch so, würde ich behaupten, doch der ganze rotzige Batzen groovt, rockt und hat echte Klasse, das muss man schon sagen. Immerhin hat die Band, wenn auch ohne einen Tonträger in der Hand gehabt zu haben, einige Konzerte und sogar Festivals (u. a. Eternal Hate Fest in Tschechien) absolviert. Und das kann nicht jede „kleine“ Band von sich behaupten.

Die erste CD enthält das Album „When Corpses Scream“. Und der nach dem kurzen Intro einsetzende Track „Speedgrenade A“ könnte in der Tat eine klassische Thrash-Nummer sein, wäre da nicht der bitterböse gutturale Gesang. Erst im zweiten Song „God in Action“ holen die tiefgestimmten Gitarren einige simple, um nicht zu sagen stumpfe Death-Metal-Riffs aus der vermoderten Leichenkiste. Und das macht direkt mehr Bock und ist auch gut so, denn stumpf ist ja bekanntlich gerade im Death Metal Trumpf. Durchgehend stumpf ist die Mucke von Leichenschrei aber nicht, auch wenn man dies zunächst vielleicht anhand der Songtitel und der sich daraus ergebender Thematik ablesen könnte. Gerade die wilden pure heavy Gitarrensoli krempeln einige der Songs nochmals so richtig um und verpassen ihnen einen frisch gepuderten Teint. Das oftmals auch recht unerwartet, dem Hörer aber ein kräftiges Blutrot ins Gesicht zaubernd. Vor allem die zweite CD, welche die vorangegangene und noch auf Deutsch (später ist man aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen auf Englisch umgestiegen) eingesungene EP „Leichenschrei“ beinhaltet, weiß besonders gut zu gefallen. Mit „Kinderschänder“ wird hier beispielsweise eine gewaltige, flott gespielte und ebenso rasch ins Blut übergehende Soundgranate gezündet, welche die in dem Song angeprangerten Verbrecher imaginär aber so was von richtig in ihre einzelnen Fleischpartikel zerlegt. Gut so! Auch „Untot“ ist so eine Killer-Nummer, die wortwörtlich nach mehr Death schreit. Und obwohl alle Leichenschrei-Aufnahmen einen unüberhörbaren Demo-Charakter haben und sich nach nassem Keller oder einem verlassenen Atombunker anhören, tut dies dem Hörvergnügen keinen Abbruch. Hier wird halt Authentizität ohne jeglicher Maskerade geboten, und das ist eine Stärke und keine Schwäche!

Wirklich schön zu lesen ist auch der an der Rückseite des Jewelcases angebrachte Satz: Unauthorised duplication, distribution, copying, reproduction, hiring, lending, public performance and broadcasting do not matter to us. Also ganz entgegen dem kommerziellen Hype, der mittlerweile selbst Kleinstlabels wie ein Parasit befällt. Diese Doppel-CD ist somit ein gelungener letzter Schrei, das letzte Aufbäumen einer Band kurz vor ihrer Mumifizierung und ein Zeitzeugnis des nicht tot zu kriegenden untoten deutschen Undergrounds!

Tracklist
CD 1: When Corpses Scream
1. Dead… …Really?
2. Speedgrenade A
3. God in Action
4. Embraced by Silence
5. War Against Terror
6. Fascinating Horrors
7. When Corpses Scream
8. Chessmen
9. In the Cause of Justice
10. Coma
11. Sudden Death
12. The Human Plague
CD 2: Leichenschrei
1. Mensch
2. Kinderschänder
3. Alleine leben
4. Untot
5. Ich bin es nicht wert
6. Was gibt mir der Tod
7. Heilige Kirche
8. Alleine leben (Live)

Geschrieben von Adam am 20. April 2021