When at Night - Weltanschauung

When at Night – Weltanschauung

Eigenproduktion
2021

Wenn der Promo-Zettel von einer „wilden Achterbahnfahrt“ kündet, dann ist man als Rezensent schon gerne etwas misstrauisch. Gerade junge Bands schaffen es häufig nicht, all ihre Ambitionen einvernehmlich unter einen Hut zu bekommen und verlieren sich in zerfaserten Einzelteilen, ohne ein schlüssiges musikalisches Gesamtgewand entwickeln zu können. Nicht so When at Night aus dem beschaulichen Schwäbisch Gmünd. Die Fünfer-Meute gibt’s seit 2018 und sie legt uns hier ihren ersten Longplayer vor. „Weltanschauung“ will eine bunte Mischung aus Hardcore und Death Metal sein, mal melodisch, mal randalierend, aber immer mit einer gehörigen Portion „Fuck you!“ an den momentanen Zustand der Welt. Gemastert wurde die CD von V. Santura von Dark Fortress/Triptykon, der mit seinem Woodshed Studio schon so mancher Finsterdunkel-Metal-Band den letzten Schliff verpasste.

„Weltanschauung“ steigt mit einem düsteren Intro ein, in dem sich schwerfällige, fast schon doomige Gitarren langsam übereinanderlegen und von schleppendem Schlagzeug und sich langsam auffächernden atmosphärischen Synthies aufgebauscht werden. Diese Stimmung wird allerdings kurzerhand vom Opener „Philistine“ in ihre Einzelteile zerlegt, und dieser Eröffnungstrack bestätigt dann auch sofort den ersten Eindruck, den das Cover mit seinen düsteren Totengestalten schon vermittelt: When at Night gehen ganz schön old-school zu Werke. Riffs, Produktion, Vocals, Phrasierungen und Songwriting, das alles wirkt wie aus den 90ern konserviert. Wer eingangs noch bei einer Mischung aus Hardcore und Death Metal an irgendwelche hemdsärmeligen, halbklassigen, modernen Metalcore-Geschichten befürchtet, kann hier beruhigt aufatmen. When at Night klingen wie eine groovige Version von ganz alten Heaven Shall Burn, Carcass oder In Flames, wobei die melodischen Gitarrenlinien nie zu allzu dominant kitschigen Hooklines neigen, sondern ständig songdienlich agieren – auch wenn so manche Sologitarre sich so manches Mal in nichtssagendem Gedudel verliert (beim Song „Quietus“ beispielsweise).

Dieses Gedudel ist allerdings verzeihlich, weil im Gegenzug oft ein wirklich edles, klassisches 90er-Elchtod-Riff aufblitzt, mit düsteren Moll-Harmonien, Melancholie und irgendwo einer ganzen Menge wohliger Nostalgie. Brecher wie „Past Silent Lament“ feiern den alten noch etwas rumpeligen Melodic Death Metal in derart charmanter Weise, dass man sich manchmal das breite Grinsen nur schwer aus dem Gesicht wischen mag. Und gerade hier passt es so wunderbar, wenn sich When at Night ein paar Schnitzer leisten, wenn das Songwriting mal nicht komplett rundgeschliffen ist, wenn mal irgendwo eine schiefe Gitarren dazwischentrötet, wenn so mancher Break etwas arg abrupt gerät. Diese Ecken und Kanten lassen When at Nights Erstling so wunderbar authentisch und echt wirken, man wollte die Jungs gar nicht stubenrein produziert, sauber und auf Hochglanz poliert haben. Denn das Schönste an der Sache ist: „Weltanschauung“ versucht gar nicht auf Krampf einen auf die alte Schule zu machen; das schwäbische Abrisskommando macht einfach das, worauf es Lust hat, und wirkt dabei gerade in seiner Imperfektion im Songwriting so randalös sexy. Dazu kommt die ein bisschen einfache, in Sachen Jewelcase auch etwas billig wirkende Aufmachung der CD in wunderbarem DIY. Ballert! Reinhören! Wenn die mal irgendwo live spielen, reißen die sicherlich aber so was von die Hütte ab. An dieser Stelle lassen sie in jedem Falle einen blendend unterhaltenen, breit grinsenden Rezensenten zurück.

Tracklist
1. Altlast
2. Philistine
3. Quietus
4. Past Silent Lament
5. Yonder
6. The Wretched Nothing
7. Sands Fall
8. High Priests of Avarice
9. Weltanschauung

Geschrieben von Jonas am 9. Mai 2022