Steingrab - Malum Genesis

Steingrab – Malum Genesis

Soundage Productions
2020

Neben schnell eruptiven Granatenalben gibt es auch noch so spezielle Musikaufgüsse, die erst mehrere Monate lang im Kellerschrank oder auf dem Dachboden reifen müssen, um ihr volles akustisches Aroma entfalten zu können. Das obergeniale Album „The End“ von Ereb Altor z. B. gehört meiner Ansicht nach zu solch einer Musikgattung: Zunächst nur kurz angespielt und als annehmbar abgetan, habe ich es erst lange vernachlässigt, bevor es dann bei einem weiteren, zufälligen Durchlauf voll bei mir zündete. Dann aber so richtig, mit einer unbändigen Wucht und bis heute anhaltenden Langzeitwirkung! Und auch „Malum Genesis“, der letzte, bereits Ende 2020 erfolgte Rauswurf der Ein-Mann-Konstellation Steingrab aus Darmstadt ist ein ebenso massiver Brocken, der erst gut abgehangen einem wirklich gut zwischen die Ohren knüppelt. Die Begründung solcher Tatsachen lässt sich sicherlich in der Andersartigkeit und der damit einhergehenden erschwerten Zugänglichkeit zu solchen Werken erklären. Auch Mahr, die kreative Konstante bei Steingrab, ist ein Ausnahmekünstler, der nie nach Schema F vorgeht, sondern stets seine eigenen musikalischen Visionen zu verwirklichen gedenkt. Und es braucht eben etwas Zeit, um solche speziellen und individuellen Konstrukte ergründen und besser verstehen zu können…

Von Steingrabs musikalischer Ader kann man behaupten, dass sie immer vor einer tragischen Düsternis eingeengt ist, doch bei „Malum Genesis“ wurde noch eine gewisse Dringlichkeit dem Ganzen hinzugefügt. Die Gitarren scheinen sich hier gegenseitig zu überschlagen, riffbetonte Fontänen zu abrupt wechselnden Takten und Rhythmen sprudeln nur so hervor, so dass einem dabei recht schnell das Wasser bis zum Halse stehen kann. Und es wäre auch nicht verwunderlich, wenn der ein oder andere nach nur kurzer Zeit von einem Schwindelgefühl heimgesucht wird, denn die Fahrt, auf man hier mitgenommen wird, ist rasant und riskant, vorbei an dichtgewebten Wänden aus harten Gitarrenklängen, die kaum eine Lücke für eine kleine, für manchen gar notwendige Verschnaufpause aufzuweisen haben – man höre sich die „Stadt des Schwefels“ nur an. Zu all dem harten Geschehen gesellen sich fast permanent unterschwellig tönende Keyboard-Teppiche nach bester neoklassischer Manier, was gelegentlich, wie z. B. im fünften Track „Gottes Gnade (Hiob)“, so erklingt, als ob zwei Lieder oder Melodien sich überlagern würden, die den schwarzen, zuweilen desolaten wie dissonanten Sound etwas kultivieren. Dementsprechend meterhoch türmen sich die atmosphärischen Brecher hier auf. Wenn man nur gewillt ist, so wird man sich in den labyrinthartigen Songaufbauten von Steingrab vollkommen verlieren können. Denn was Steingrab macht, das ist nicht nur eine bloße Interpretation des Black Metals, das ist schon mehr eine musikalische, mit purer Leidenschaft geschriebene Dichtung, welche hier konsequent und ganz authentisch ausgelebt wird. „Malum Genesis“ ist ein absolut empfehlenswertes Kunstwerk, das von der unbändigen, jedoch nicht für jedermann sofort erkennbaren Genialität von Mahr zeugt.

Tracklist
1. Unten
2. Kain
3. Sintflut
4. Das große Spektakel
5. Gottes Gnade (Hiob)
6. Stadt des Schwefels
7. Asche
8. Die Abkehr vom Licht
9. 0

Geschrieben von Adam am 4. Oktober 2021