Convictive / Krähenfeld - Konvergenz

Convictive / Krähenfeld – Konvergenz

Eigenproduktion
2021

Wenn sich zwei, in ähnlichen Gewässern tummelnde Bands einen Proberaum teilen, dann ist es vielleicht das Naheliegendste, auch musikalisch etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen. So ist aus einer anfänglichen Idee nun etwas Konkretes und Handfestes geworden, nämlich die Split-CD mit dem passenden Titel „Konvergenz“. Wer eine der beiden Bands bereits länger verfolgt, wird ahnen können, was ihn hier erwartet. Neulinge, die bisher sowohl von Convictive wie auch Krähenfeld noch nichts vernommen haben, sollten jetzt ihre brachliegende Neugier reaktivieren und ihre Lauscher ganz weit aufsperren, denn das hier dargebotene Liedgut ist technisch wie kompositorisch auf einem verdammt hohen Level! Underground-Bands, die dem Underground schon längst entwachsen sind – so mein persönlicher Eindruck.

Die Post-Black-Metaller von Convictive eröffnen den Reigen. Wer die Vorgängerwerke des Quintetts aus dem Ruhrgebiet kennt, dem wird die recht starke Umstrukturierung des Bandgefüges anhand des neuen Sounds sicherlich direkt auffallen. „Rauschen“ klingt zwar nach wie vor nach Convictive, finster, gewaltig und wuchtig, es ist aber um eine sehr doomige Nuance angereichert und schleppt sich einiges langsamer als gewohnt durch die Boxen voran. Und auch die Gesangsdarbietung der neuen Fronterin Jay lässt dem Kenner die leicht veränderte Ausrichtung der Band recht deutlich erkennen. Während die Vorgängerin Jalina sehr emotional, ja fast schon gepeinigt ins Mikro schrie – gerade bei Live-Auftritten hatte man stets den Eindruck, dass sie auf der Bühne Quallen litt und dieser Folter sowohl gesanglich als auch mit ihrer gesamten Körpersprache Ausdruck verlieh – und dadurch an Glaubwürdigkeit kaum zu überbieten war, erschallen Jays Ausbrüche irgendwie rational kontrollierter, womöglich mehr wie gelernt oder einstudiert und nicht aus purer, abgrundtiefer seelischen Überzeugung hervorsprudelnd. Dies sollte man aber nicht als eine Art von Wertung verstehen, denn wie wir wissen, hat jede Medaille und alles im Leben immer zwei Seiten, und wir reden hier wirklich nur über ganz feine Unterschiede. Und ich bin mir sicher, dass nicht wenige Zuhörer gerade Jay favorisieren und begrüßen werden, ist doch ihre dunkle Aussprache verständlicher und sehr viel kräftiger, ja geübter zu vernehmen. Sie passt auch wunderbar zu der fetten, von Dan Swanö finalisierten Produktion sowie der sehr professionellen Instrumentalfraktion. Die beiden anderen Neuzugänge, Marius (von Krähenfeld) am Schlagwerk und Phil an der Gitarre (u. a. noch bei Savior of Death aktiv), sorgen für frischen Wind, der die Songstrukturen gekonnt durcheinanderwirbelt oder auch mal auf den Kopf stellt. Mal wird eine kecke Melodie aufgefahren, mal der Takt abrupt gewechselt und eine Kurve mit heißen Bremsen angegangen, hier und da schon beinahe gejammt, möchte ich sagen, oder auch verspielt gezupft. Von den anfänglichen doomigen Ansätzen ist in den weiteren Songs nun nichts mehr zu vernehmen. Die vier Songs von Convictives Part der „Konvergenz“ sind halt eine sehr variationsreiche und absolut runde Sache geworden. Und mich deucht, dass die Band jetzt sogar noch um einiges post-metallischer – was sicherlich beabsichtigt war – unterwegs ist, als es noch auf den Vorgängerwerken der Fall war.

Nach „Animus“ übernehmen dann Krähenfeld aus Krähenfeld (so der alte Name der Seidenstadt Krefeld) das Ruder und geben uns eine sehr ausgedehnte Kostprobe ihrer Vision von perfektem Black Metal. Diese lässt sich gar nicht so leicht in eine Schublade stecken, denn in den beiden, recht langen Songs „Endlich“ und „Ewig“ (die anderen beiden sind nur kurze Intermezzos) passiert so viel Wunderliches, dass man bestimmt gar nicht erst in der Lage sein wird zunächst Schritt mit der Band halten zu können. Es sind schon einige Durchläufe vonnöten, um einen Halt in der musikalischen Fülle von Krähenfeld zu finden. Hat man diesen gefunden, wird man auf eine recht verzwickte sowie sehr verspielte musikalische Reise mitgenommen. Und auch irgendwie paradoxe, denn obwohl sich die Band dem Depressive Suicidal Black Metal verbunden fühlt, wirkt ihre Musik doch irgendwie erquickend auf den Hörer. Das liegt vor allem an der tighten Gitarrenfraktion bestehend aus Sebastian, Timo und Ben (von Convictive), die einen Ohrschmeichler der Marke „Wie geil!“ nach dem anderen aus den Saiten raushaut. Doch kaum, dass die Songs verklungen sind, kann man sich nur noch schemenhaft an das gerade Gehörte, an die schönen Melodien, die eben noch so real und bildhaft im eigenen Kopf waren, erinnern. Und das ist eine Kunst, welche eine dauerhafte Motivation aufrechterhält! Ganz großes Kino! Die „sauberen“ Leads von Sebastian zeugen auch von einer großen Fingerfertigkeit an der Gitarre, und die ausladenden Kompositionen von großem Ideenreichtum der gesamten Band. Ein gewisser Wahn zur Perfektion ist hier unbestreitbar vorhanden. Wahnsinnig im positiven Sinne ist auch der Gesang des Schreihalses Yannik. Er lebt mit seiner dunklen und rauen, sehr einzigartigen Stimme das Depressive am meisten aus und setzt einen starken Kontrast zu den dahinfließenden Gitarrenharmonien und den durchweg nach allen Regeln der Kunst böllernden (doch für meinen Geschmack etwas zu dünn abgemischten) Drums von Marius. In Zukunft könnte er sich aber noch zu etwas mehr Farbe bekennen, denn ein paar weitere Stilmittel wie Flüstergesang oder ähnliches würden seiner Inszenierung sicherlich auch sehr zugutekommen, kann ich mir vorstellen.

„Konvergenz“ entpuppt sich letzten Endes als eine wirklich sehr gelungene Split, obwohl diese anhand des sehr stilisierten Cover-Artworks auf den ersten Blick doch ein wenig unscheinbar wirkt. Aber der Inhalt hat es dicke in sich, und darauf kommt es an! Nun darf man aber mehr als gespannt sein, was als nächstes bei beiden Bands passieren wird. Das jeweils zweite Full-Length-Album ist wünschenswert! Und am besten auf einem Vinyl-Teller serviert.

Tracklist
1. Convictive – Rauschen
2. Convictive – Palingenese
3. Convictive – Katharsis
4. Convictive – Animus
5. Krähenfeld – 103-90-2
6. Krähenfeld – Endlich
7. Krähenfeld – X84.9
8. Krähenfeld – Ewig

Geschrieben von Adam am 2. Oktober 2021