Plutonyan - Doxa

Plutonyan – Doxa

Eigenproduktion
2021

Die Drahtzieher hinter dem jüngst aus dem Boden gestampften Projekt Plutonyan mögen im deutschen Black Metal keine Unbekannten sein, verstecken sich hier doch Mitglieder von Eïs/Geïst und Der Rote Milan. Allerdings sollte diese kleine EP nicht als direktes Kontinuum der jüngst auf Eïs gelegten (Entschuldigung, der musste leider sein, hehe…) Schwarzwurzler aus Nordrhein Westfalen angesehen werden, auch wenn es sich gewiss nicht verhindert lässt, dass hier ohnehin viel hin und her interpretiert wird.

Die vorliegende Scheibe mit dem Titel „Δóξα“ bzw. „Doxa“ kommt in einer äußerst hübschen Vinyl-Aufmachung als eine kleine 7“ daher. Hier wurde definitiv nicht geknausert, denn Coverdesign, die beiden Inlays, das bunte Vinyl, das alles ist ganz wunderbar. Nur die Schrift auf den Inlays mit den Lyrics ist ein bisschen arg unleserlich – das könnte mal nächstes Mal besser machen. Dennoch stimmt das Äußere schon einmal darauf ein, wohin die Reise inhaltlich geht, nämlich ab ins All. Der Titel der Zwei-Track-EP bezeichnet dabei in der griechischen Philosophie die Meinung bzw. unzureichend begründetes Fürwahrhalten. In der Erkenntnistheorie kann eine Meinung niemals aus sich heraus wahre Erkenntnis über die Welt produzieren (dies steht nämlich nur den Göttern zu), sie bewegt sich stets im Wechselspiel zwischen Glauben und Vermutung.

Diese Einführung in erkenntnistheoretisches Philosophiegeschwurbel ist deswegen spannend, weil sie die (auf Deutsch geschriebenen) Texte der EP kontextualisiert. Diese handeln nämlich unter anderem genau davon, geben sich recht kryptisch wie expressionistisch und mäandern zwischen absoluter Wahrheitserkenntnis, griechischer Philosophie und der Entfremdung von der uns bekannten Erdenwelt zwischen Unterwelt und himmlischem Weltraum. Dazu eine kleine Prise subversiver Gesellschaftskritik und Degenerationsnarrativ, und die Party ist komplett.

Fehlt nur noch die Musik, die ja eigentlich das Kernthema dieser Rezension ist… Sie gibt sich – insbesondere im Anbetracht der Texte – erstaunlich geradlinig, aber keinesfalls einfältig. Basis des Ganzen ist rhythmisch treibender Black Metal, der phasenweise in Richtung der Altmeister Nocte Obducta und Lunar Aurora schielt. Insbesondere die Rhythmusgitarren schieben vorwärts, das Schlagzeug hält sich nicht mit angeberischen Spielereien auf. Die Basslines sind stets wahrnehmbar und markant, aber nie aufdringlich, und das krächzende Geschrei, untermalt durch Sprachsamples verschiedener Couleur, gibt den Texten Kontur und musikalischen Ausdruck. Gewürzt ist das Ganze mit reichlich Weltall-Schwurbel-Keyboards. Die reichen hin und wieder sogar an die Qualität von Darkspace oder auch Lunar Aurora heran und verleihen der sonst eher straighten Saitenhexerfraktion den notwendigen Tiefgang und atmosphärische Weite. Und diese Mischung funktioniert hier hervorragend. Die organische, analog anmutende, aber dennoch klare Produktion verleiht dem äußerst runden Gesamteindruck dann den letzten Schliff.

In dem Format, in dem wir „Doxa“ hier vorgesetzt bekommen, machen sich Musik und Gesamtkonzept sehr gut, vor allem auch deshalb, weil sich die Jungs hier nicht großartig verkünsteln und trotzdem nicht langweilig wirken. Es bleibt daher die Frage, ob es hinsichtlich des musikalischen Outputs von Plutonyan bei diesem kleinen Schmankerl bleibt, oder ob wir hier alsbald noch etwas in voller Albumlänge zu hören bekommen – und ob das Konzept auch dann noch so stimmig aufgehen wird. Denn um in der Länge nicht allzu eintönig zu werden, müsste die Musik dann doch noch ein Schippchen mehr an Vielfältigkeit drauflegen. Wünschenswert wären hier ausgefeiltere, noch stärker ins Songwriting eingebundene Synthies, damit diese ein noch um einiges integralerer Bestandteil der Musik werden. Aber eigentlich können Plutonyan bis in alle Ewigkeiten solche kleinen EPs veröffentlichen, so gut geht das Konzept in seinem kleinen, in sich stimmigen Rahmen auf. „Doxa“ gibt’s als limitierte 7“ in klassischem Schwarz sowie zwei Farben, und für alle, die keinen Plattendreher haben, auch als simplen, qualitativ hochwertigen Download. Austesten!

Tracklist
1. I.I [Ihr, die viel sprecht und niemals hört]
2. I.II [Von gutem Willen sprechen wir]

Geschrieben von Jonas am 17. Oktober 2021