Interview mit Asenheim

Interview mit Asenheim

Asenheim ist im deutschen Underground schon lange kein unbekannter Name mehr. Die vorrangig von Tiwaz beständig mit viel Herzblut nach vorn gepeitschte Black-Metal-Rumpelkapelle hat vor kurzem ihr neues Album mit dem vielversprechenden Titel „Der Geist des Waldes“ veröffentlicht und damit einen gewaltigen Entwicklungssprung vollführt. So ist es nun allerhöchste Zeit, um ein Schwätzchen mit dieser sehr atmosphärisch musizierenden Band zu halten und sich dabei unter anderem über den Wald sowie den kurz bevorstehenden Untergang der Menschheit zu unterhalten. Vorhang auf!

Tiwaz, Valfor! Seid mir brüderlich gegrüßt! Die ersten Fragen gehen wohl an Dich, Tiwaz. Da Asenheim seit 2007 aktiv ist und mittlerweile auf eine recht umfangreiche Diskographie zurückblicken kann, wäre es schön, wenn Du uns zunächst etwas von den Anfangstagen Deines Projektes erzählen könntest. Damals warst Du noch alleine unterwegs und hast Dich – wenn man Deine Aufnahmen in chronologischer Reihenfolge verfolgt – mit echter Verbissenheit immer mehr ein Stück weiter nach oben hochgekämpft. Was war Deine Motivation? Und warum gerade der so stark in die pagane Ausrichtung ausschwenkende Bandname? Und wenn ich mich recht entsinne, wurde Deine Musik zunächst auch wegen der hausgemachten Qualität sowie Deinem speziellen, aber sehr markantem Klargesang von einigen Besserwissern etwas belächelt, doch das hat Dich nicht von Deinem gewählten Weg abgebracht. Hast Du vielleicht den Wunsch verspürt, solche Menschen eines Besseren belehren zu wollen?

Tiwaz: Sei gegrüßt! Streng genommen wurde Asenheim bereits 2004 gegründet, damals noch unter dem Namen Sins of Desire. Eine damalige Freundin und ich hatten den Black Metal frisch für uns entdeckt und schnell überkam uns das Bedürfnis, ein eigenes Projekt zu starten. Anfangs war das Ganze noch stark vom Death Metal beeinflusst, garniert mit einigen Keyboard-Passagen. Bis auf ein paar Instrumentalstücke habe ich die Musik im Alleingang komponiert, und es kam auch nur sehr selten zu gemeinsamen Proben. Somit hat sich das Projekt schnell zu einer Solonummer gewandelt. Der Namenswechsel zu Asenheim ist allerdings noch in gemeinsamer Arbeit entstanden. Wir haben uns in diesem Zeitraum viel mit nordischer Mythologie befasst und wollten zeitgleich einen Namen, der sich auf das Totenreich bezieht. Und so entstand auch der Name. Asenheim ist im Grunde genommen nur eine andere Bezeichnung für Asgard, die Festung der Götter, in welche die gefallenen Helden nach glorreicher Schlacht Einzug halten. Mir ist es bis heute wichtig, heidnische Elemente in die Musik einzuflechten, allerdings geschieht das mittlerweile aus einer anderen Sichtweise heraus, welche sich nicht nur um reine Erzählungen dreht, sondern auch persönliche Erfahrungen und Erlebnisse mit den mythologischen Begriffen verbindet. Die Motivation, immer weiter zu machen, kam und kommt aus mir selbst, die Musik ist für mich wie eine Art Tagebuch geworden, um meinen Gedanken und Emotionen ein Ventil zu bieten. Belächelt wurde die Musik wohl hauptsächlich aufgrund der textlichen und musikalischen „Inkonsequenz“, denke ich, zumal ich mich noch nie auf eine bestimmte Thematik festgelegt habe, sondern immer das aufgegriffen habe, was mich zu einem Zeitpunkt besonders beschäftigte. Auch wenn ich heute manchmal selbst schmunzeln muss, wenn ich mir meine alten Demos anhöre, schäme ich mich nicht dafür, denn jedes einzelne Lied ist ein Teil von Asenheim. Und letztendlich fängt doch jeder mal klein an. Das Wichtigste ist, sich nicht beirren zu lassen und sein eigenes Ding durchzuziehen.

Jemanden eines Besseren belehren, das wollte ich nie. Letztendlich muss ich mich doch nur vor mir selbst rechtfertigen. Die musikalische und textliche Entwicklung entstand von ganz alleine. Und warum sollte ich es nicht nutzen, wenn ich die Möglichkeit habe, in besserer Klangqualität aufzunehmen und der Musik mehr Finesse zu verleihen?

Man könnte also sagen, dass Asenheim ein sehr persönliches Projekt ist, das in erster Linie nur Deinen Ansprüchen genügen soll und nicht unbedingt anderen gefallen muss, oder? Du geht so ziemlich in Asenheim auf, würde ich behaupten, es ist Dein Lebenswerk, oder sehe ich das falsch? Zumindest habe ich schon beim Hören Deines ersten, selbstbetitelten Albums eine große Leidenschaft in Deiner Musik herausgehört, die mich – anders kann man es wohl nicht sagen – irgendwie berührt und angesteckt hat. So gesehen, ist dieses Album auch für mich etwas besonderes…

Tiwaz: Exakt! Für mich ist Asenheim die perfekte Möglichkeit, meine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen und somit auch eine Art Lebenswerk. Es ist ein gutes Gefühl, in der Lage zu sein, die Musik, die man selbst gerne hört, zu kreieren. Das ist auch mein Ansporn, mich stets zu entwickeln und meine Ideen auszuarbeiten.

Hab auch vielen Dank für die netten Worte über das Debütalbum. Auch wenn die Qualität der Aufnahmen leider zu wünschen übrig lässt, war und bin ich sehr stolz auf dieses Schaffenswerk. Ich denke, dass es immer etwas besonderes ist, wenn man seine erste, eigene CD in den Händen hält. Diese Lieder waren auch die ersten, die explizit mythologische Elemente mit persönlichen Erfahrungen verbunden haben und somit legten sie einen sehr bedeutenden Grundstein für die weitere Entwicklung von Asenheim.

Den Song „Drachenblut“ höre ich immer noch besonders gern. Er hebt sich doch ziemlich stark vom Rest des Materials dieser Scheibe ab. Erinnert mich von der Grundstimmung irgendwie an Summoning, muss ich sagen. Absicht oder Zufall? Und magst Du vielleicht verraten, welche persönlichen Erfahrung da hineingeflossen ist? Oder bezieht sich dieser Song nur auf die Siegfried-Sage? Oder doch auf etwas ganz anderes?

Tiwaz: Die Ähnlichkeit ist absolut beabsichtigt. Ich wollte einen epischen Abschluss für das Album haben und habe deswegen mit einigen Elementen experimentiert, die auch bei Summoning zum Einsatz kommen. Das hört man insbesondere an den Drums und den Keyboards. Mit der Siegfried-Sage hat das Lied allerdings nichts zu tun. Kurz zusammengefasst geht um einen Krieger, der sich den Weg zum Gipfel eines Berges erkämpft, um dort den letzten verbliebenen Drachen auf der Welt zu töten und anschließend sein Blut zu trinken. Das alles nur, um Unsterblichkeit und Ruhm zu erlangen. Die Botschaft hinter diesem Lied soll den unendlichen Egoismus der Menschheit darstellen. Auch, wenn der Text rein mittelalterlich gehalten ist, ist er durchaus auf die heutige Zeit zu beziehen. Der Mensch scheut nicht davor zurück, die Natur- und Tierwelt zu zerstören, solange er, und sei es nur temporär, seinen eigenen Vorteil daraus ziehen kann.

Oh, dabei ich war mir ziemlich sicher, hier eine freie Interpretation der Siegfried-Sage vorzufinden. Aber um ehrlich zu sein, habe ich mir schon beim ersten Hören gleich die Frage gestellt, warum man denn einen Drachen töten muss, vor allem wenn man weiß, dass er der letzte seiner Art ist. Das fragte ich mich auch schon immer bei der Siegfried-Sage. Irgendwie werden bei alten Sagen oft auch falsche, oder besser gesagt längst überholte Wertvorstellungen (Mord und Totschlag sind da zum Beispiel an der Tagesordnung) nach außen vermittelt, denke ich. Oder was denkst Du darüber als einer, der sich recht intensiv mit der nordischen Mythologie auseinandergesetzt hat? Alles Alte kann man heute doch nicht verherrlichen bzw. als bare Münze nehmen, oder doch? Deine gerade eben offengelegte Interpretation von „Drachenblut“ lässt mich nun ganz andere Seiten an Deiner Musik erkennen…

Tiwaz: Ich muss zugeben, dass ich mich sehr lange nicht mehr mit der Siegfried-Sage beschäftigt habe. Natürlich kenne ich sie, wie fast jedes Kind (zumindest war es mal so). Aber die Tatsache, dass der Drache ebenfalls der letzte seiner Art war, habe ich nicht gewusst, beziehungsweise vergessen, sehr interessant! Vielleicht ist ja doch unterbewusst etwas davon hängengeblieben. Man sollte sicherlich nicht alles für bare Münze nehmen, was die nordische Mythologie hergibt, aber das gilt nicht nur für sämtliche Mythologien, sondern auch für Religionen aller Art. Das Wichtige dabei ist zu erkennen, welchen Sinn und Nutzen man für sich selbst daraus ziehen kann. Wie bereits in der ersten Antwort angedeutet, beziehen sich die mythologischen Elemente bei Asenheim fast immer auf weltliche Geschehnisse oder persönliche Erfahrungen.

Ob Fáfnir wirklich der letzte der Drachen war, das weiß ich, um ehrlich zu sein, auch nicht so genau. Es hat sich aber so in meinem Kopf fest verankert. Das liegt wahrscheinlich daran, weil ich damals keine anderen Drachengeschichten kannte und dieses unnötige Töten eines Drachen schon als Kind nicht so wirklich nachvollziehen konnte, ebenso wie ich auch heute nicht verstehen kann, wie man z. B. seltene Tiere für Trophäen umbringen kann. Was läuft auf der Welt falsch? All die vielen Worte der Weisen, all das erreichte Ausmaß der Zerstörung der Natur und die spürbaren Folgen dieses Fiaskos reichen scheinbar immer noch nicht aus, um den gierigen Schlund der Menschheit satt zu kriegen. Sind das auch die Themen, die von Dir angedeuteten weltlichen Ereignisse, die Dich zu Deiner Musik inspirieren?

Tiwaz: Oft. Wenn etwas auf dieser Welt dem Status einer Gottheit würdig ist, dann ist es die Natur selbst. Viele Menschen wissen sie einfach nicht mehr zu schätzen und schaufeln sich durch ihre Gier und ihren Geltungsdrang ihr eigenes Grab. Ich kann es nicht nachvollziehen, aber das ist nun einmal der Wandel der Zeit. Bei unserem neuen Album „Der Geist des Waldes“ liegt der Fokus auf genau dieser Thematik. Der Mensch unterschätzt den Überlebenswillen der Natur und irgendwann wird er die Rechnung für seine Taten bezahlen müssen.

Du greifst mir schon etwas vorweg, indem Du schon das neue Asenheim-Album erwähnst. Dazu kommen wir noch später, doch um nochmals kurz auf die Frage des für bare Münze Nehmens von alten Wertvorstellungen zurückzukommen: Deiner Aussage folgend, würde ich interpretieren, dass Du alte Werte schätzt, sie aber an Deine individuellen und modernen Gegebenheiten anpasst. Stimmt das so in etwa? Wenn ja, wie manifestiert sich dies in Deinem (musikalischen) Leben?

Tiwaz: In gewisser Weise bleibt einem ja kaum etwas anderes übrig, als sich an moderne Gegebenheiten anzupassen. Es ist ja auch nicht alles schlecht heutzutage. Ich bin froh, dass ich nicht verhungern muss, falls ich meinen Job verliere, und versorgt werde, falls ich krank werde. Aber es wird einfach viel zu oft alles als selbstverständlich empfunden, und das stört mich an der Moderne. Wertschätzung ist der wichtigste Punkt, der vielen Menschen heutzutage schlicht und einfach fehlt. Sei es in Bezug auf Freundschaft und Zusammenhalt, auf den Respekt gegenüber der Natur oder auf Genügsamkeit. Daher würde ich mich schon eher als Traditionalist bezeichnen.

Eure Musik ist natürlich auch sehr traditionell gehalten, im Stile des Black Metals der 90er Jahre. Wenn ich z. B. den Song „Gungnir, bring mich heim“ – definitiv eines der besten Songs von Euch – vom Album „Wenn die Nacht…“ höre, dann tauche ich auch regelrecht in die guten alten Zeiten ab, als der Black Metal und die Fanzines noch alle mit einem Nebelschleier verhangen waren. Ab diesem Album ist auch Valfor zu Asenheim dazugestoßen, was man nur als einen Glücksfall, als einen großen positiven Einschnitt in der Bandhistorie werten kann. Davor hast Du aber auch noch mit Pesthauch, Norse Raider und Verdensanskuels (das ist wohl die damalige Freundin aus der Zeit von Sins of Desire, von der Du am Anfang gesprochen hast, nehme ich an) kurzzeitig zusammengearbeitet. Wieso ist mit Pesthauch und/oder Norse Raider und Dir kein stärkerer Bund entstanden? Ebenfalls aus Mangel an Zeit und Motivation?

Tiwaz: Man kann seine eigene Musik immer schwer beurteilen, aber Du bist nicht der erste, der diese Aussage trifft, also scheint es zuzutreffen. Wenn man an Black Metal aus den 90ern denkt, schießen einem sofort die norwegischen Klassiker und dieser kalte, nordische Sound in den Kopf. Sicherlich hat diese Musik auch Einfluss auf mich ausgeübt, doch Asenheim hat sich schon immer mehr am deutschen Black Metal der 90er und frühen 2000er Veröffentlichungen orientiert. Das ist auch die Musik, zu der ich den größten Bezug hatte und immer noch habe.

Der Eintritt von Valfor stellt einen wichtigen Wendepunkt in der Schaffensphase von Asenheim dar, weil er sehr motiviert ist und sich mit einer Kreativität beteiligt, die perfekt in der Musik aufgeht. Pesthauch hat auf der EP „Black Diary“ einen Session-Job an den Drums übernommen, mittlerweile widmet er sich mit großem Erfolg seiner Hauptband. Mit Verdensankuels hast Du recht, dazu habe ich mich ja bereits geäußert. Norse Raider ist ein damaliger Kumpel von uns, der kurzzeitig an der Bassgitarre tätig war. Aus Zeitmangel und späterer Distanz zwischen unseren Wohnorten hat es sich dann aber irgendwann im Sande verlaufen. Persönliche Differenzen waren nie ein Thema und ich wünsche allen ehemaligen Mitstreitern alles Gute.

Valfor, nun möchte ich auch Dich zu Wort kommen lassen… Du hast dem Sound von Asenheim einen ganz frischen Impuls gegeben und die Band insgesamt auf einen neuen Level angehoben. Wie kamst Du dazu, bei Asenheim mitzumischen, zumal Du schon unter anderem bei Totenwache fest im Sattel sitzt? Hast Du einfach bei Tiwaz an der Tür angeklopft und ihm gesagt, dass Du der Mann bist, nach dem er indirekt und unwissentlich schon immer suchte? Oder wie kann man sich das vorstellen?

Valfor: Tiwaz hatte damals für „Wenn die Nacht…“ jemanden gesucht, der für dieses Album die Drums einspielt. Ich hatte die Anzeige irgendwo gesehen und mir daraufhin einige Songs von Asenheim auf YouTube angehört, und ich war absolut angetan von dem, was Tiwaz da macht. Sowohl musikalisch als auch textlich hat mich das echt umgehauen und ich konnte mich direkt mit der Musik identifizieren. Ich hatte damals noch gar nichts mit dem Mischen und so weiter zu tun, aber ich fand es schade, dass die Soundqualität der Songs nicht besser war – gerade bei so atmosphärischen Songs finde ich, dass diese erst richtig zur Geltung kommen, wenn die Soundqualität nicht im totalen Lo-Fi-Gefielde angesiedelt ist. Deshalb habe ich mich seitdem mit diesen ganzen Soundgeschichten beschäftigt und versuche mir nun die Sachen weitestgehend beim Herumexperimentieren beizubringen. Dadurch fällt auch jedes Album auf seine eigene Art etwas anders aus.

Alle Achtung, dass Du Dir noch so eine Aufgabe ans Bein gebunden hast Valfor! Aber das Ergebnis gibt Dir recht: Jedes Asenheim-Album ist seit Deinem Einstieg immer ein Stück besser geworden, nicht nur soundtechnisch. Auch Deine Arbeit am Schlagzeug ist eine große Bereicherung für dieses Projekt, denn Du bringst frischen Wind mit ins Spiel! Doch woher nimmst Du überhaupt die Zeit, bei mehreren Projekten mitzumischen? Andere Menschen verzweifeln bereits an Sachen von der Größe einer Kinderkacke, und Du trümmerst Dich gleich durch einige sehr zeitintensive Projekte – hast neben Totenwache ja noch einige mehr, nicht wahr? – scheinbar mit der Leichtigkeit eines Superhelden durch…

Valfor: Es freut mich, dass es Dir gefällt! Für mich ist Musik ein essenzieller Teil meines Lebens. Früher habe ich viel Zeit mit Computerspielen verbracht – inzwischen fließt diese Zeit zu 95% in Musik, andere zeitintensive Hobbys habe ich nebenbei nicht. Bedingt dadurch, dass ich auf dem Land wohne, entfallen auch viele „soziale Zeitfresser“, die viele andere Menschen mit Sicherheit haben, und dank dem Verständnis meiner Frau kann ich auch mal das ein- oder andere Wochenende dafür opfern, mich den ganzen Tag irgendwelchen Soundgeschichten oder Schlagzeugaufnahmen zu widmen. Wenn man dann an alles gut strukturiert herangeht und den Überblick über alle anstehenden Sachen bewahrt, kann man sich da schon mächtig viel Zeit „freischaufeln“. Ich glaube, in den letzten Jahren gab es insgesamt nur eine Situation, wo ich mir „Puh, da hab ich noch ganz schön viel zu tun…“ dachte. Ansonsten haut das „Band-Zeit-Verhältnis“ schon sehr gut hin. Zu rational sehe ich das aber eigentlich gar nicht. Jeder Band, in der ich spiele, bin ich beigetreten, weil ich eine Verbindung zu der Musik gespürt habe. Da ist dann einfach Zeit, wenn Zeit vorhanden sein muss.

Nun kommen wir aber endlich auf das neue Album zu sprechen, welches im musikalischen Heime der Asen ganz sicher lange nachhallen wird. Nicht nur die Welt steht an einem Wendepunkt (langsam aber sicher muss eine entscheidende Umkehr stattfinden, um unsere und vor allem die Zukunft unserer Kinder noch retten zu können), auch auf Asenheim trifft dies zu, denn „Der Geist des Waldes“ stellt definitiv einen neuen Markierungsstein in Eurer Bandgeschichte dar. Ein nochmals besserer Sound, ganz andere, neue Kompositionen… Die Thematik hast Du bereits erwähnt, Tiwaz: Entspringt der Geist dieses Albums vielleicht aus Eurer Wut und Trauer über den rücksichtslosen Umgang der Menschheit mit der Natur? Der kurze Text des ersten Intro-artigen Songs ließe z. B. darauf schließen…

Tiwaz: Da ich einen endgültigen Rückwandel auf alte Werte bei der heutigen Menschheit ausschließe, sehe ich auch keine Zukunft für etwaige Kinder, von daher liegst Du mit Deiner Vermutung nicht ganz richtig. Meiner Meinung nach hat die Menschheit ihre Chance schon längst verspielt, und es ist besser für die Natur, wenn sie sich selbst überlassen wird. Auch wenn das eines der zentralen Themen auf dem neuen Album ist, werden auch andere Dinge behandelt, die Elemente auf regionalen Mythen oder klassische Black-Metal-Themen wie die Geschichten über Werwölfe. Wie üblich in einer gewissen Eigeninterpretation. Das Sample im Intro ist lediglich ein kleiner Gruß an all jene, die Asenheim immer nur als kurzlebiges MySpace-Projekt belächelt haben.

Nun gut, das ist eine ganz klare Aussage, Tiwaz! Die Menschheit hat also keine lange Zukunft mehr vor sich… Irgendwo nachvollziehbar, wenn auch dieses mögliche Szenario sicherlich nicht heroisch ablaufen wird. Traurig ist aber auch, dass damit auch die guten Seiten der Menschheit, wie z. B. die Kunst, die Musik, welche Ihr auch erschafft, mit verschwinden werden. Wäre das nicht schade? Oder muss das so sein? Und Du Valfor, siehst Du das ähnlich wie Tiwaz? Oder hast Du vielleicht eine ganz andere Meinung zu diesem Thema?

Tiwaz: Natürlich wäre das schade, aber es gäbe dann auch niemanden, der dies alles vermissen würde. Zu sehen, wie gerade diese schönen Seiten immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden, lässt einen irgendwann nicht mehr an einen dauerhaften Erhalt glauben. Es wäre natürlich schön, wenn ich falsch liege würde, aber meine Erfahrungen und Beobachtungen des Verhaltens der breiten Masse lassen mich nicht unbedingt optimistisch in die Zukunft blicken.

Valfor: Klar, um die immateriellen Kulturgüter wäre es auf jeden Fall schade. Aber früher oder später wird sowieso alles vergehen, und ob dieser Zeitpunkt schneller oder langsamer kommt, ist nicht von Relevanz. Zu spät für irgendwelche Veränderungen ist es noch nicht, aber wenn ich mir anschaue, was alles auf der Welt so passiert, wie Politik und Kapitalismus sich entwickeln, dann fällt es mir schwer, noch daran zu glauben, dass die Menschheitsgeschichte ein „gutes“ Ende finden wird. Und wer weiß, wie lange es überhaupt noch bis zu einem Ende dauern wird…

Haha, Ihr seid mir aber echte Bilderbuch-Schwarzmetaller, quasi waschechte Schwarzmaler! Doch die Bedenken sind berechtigt; es reicht, wenn man sich nur die immer trockener werdenden Sommer vor Augen führt. Das ist nicht mehr schön, die ganzen vertrockneten Bäume leiden zu sehen… Umso schöner aber Eure Musik! Dieses Mal habt Ihr sogar mit Handtrommeln experimentiert, was Eurer Musik eine ganz neue und erdige Note verleiht. Wessen Idee war das? Und wird dies nun ein fester Bestandteil der Musik Asenheims bleiben?

Tiwaz: Das mit den Handtrommeln war Valfors Idee. Es war uns wichtig, dem Album einen möglichst organischen Klang zu verleihen und die Präsenz der Keyboards ein wenig runterzuschrauben, damit das Ganze „natürlicher“ klingt. Wir probieren immer gern mal etwas Neues aus, und wenn es zur Stimmung des jeweiligen Albums passt, pflegen wir die Ideen dementsprechend ein. Somit kann ich Deine Frage nur mit einem „vielleicht“ beantworten. Es gibt so viele Möglichkeiten, Musik abwechslungsreich zu gestalten, und wir haben unsere Ideen noch lange nicht ausgeschöpft.

Für mich ist „Der Geist des Waldes“ jetzt schon das bisher beste Asenheim-Album überhaupt. Ihr als Künstler werdet von Eurem Neugeborenen wohl ebenso dasselbe behaupten, nehme ich stark an. Könnt Ihr die Entwicklung, welche Euch bis hin zu diesem Punkt geführt hat, an irgendetwas festmachen bzw. lässt sie sich an irgendetwas messen? Und was macht Eurer Ansicht nach dieses Werk so besonders?

Tiwaz: Vielen Dank für das Lob! Ob es das beste ist, bleibt natürlich immer Ansichtssache, aber es ist definitiv das bisher ausgereifteste und am besten produzierte Album. Wir setzen uns keine Maßstäbe à la „höher, schneller, weiter“, aber wir versuchen stets ein Ergebnis zu erzielen, mit dem wir zum Schluss zufrieden sind. Und mit wachsendem Know-how bezüglich des Songwritings und der Aufnahme kommen wir diesem Ziel jedes Mal ein bisschen näher. Das Besondere an dem Album ist meiner Meinung nach der Spagat zwischen Aggression und Melancholie. Es klingt wie aus einem Guss, so dass ich persönlich auch keinen Song nennen könnte, der besonders heraussticht, da das Album seine wahre Kraft erst als Gesamtwerk entfaltet.

Ich denke, mit dieser Aussage hast Du nun jedem den Mund auf „Der Geist des Waldes“ wässrig gemacht, Tiwaz. Die CD-Fassung ist bereits über Narbentage Produktionen erschienen. Habt Ihr mit Narbentage nun einen sicheren Hafen gefunden, da Ihr nun schon zum dritten Mal dort untergekommen seid? Die dort produzierten CDs sind qualitativ auch sehr gut, im Vergleich zu manch anderer, recht zweckmäßig produzierten Veröffentlichung anderer Label, mit denen Ihr bzw. Du Tiwaz bisher zusammengearbeitet hast.

Tiwaz: Neben der CD-Fassung werden auch noch limitierte Versionen als Tape (via Narbentage) und Vinyl (via Schattenpfade) folgen. Auch wenn wir uns bisher nie an ein festes Label gebunden haben, sind wir mit der Arbeit von Narbentage sehr zufrieden, daher steht einer weiteren zukünftigen Zusammenarbeit auch nichts im Wege.

Zum Schluss möchte ich mich recht herzlich für Eure Zeit und vor allem Eure Musik, die sicherlich noch lange in der schwarzmetallischen Welt von sich reden lassen wird, bedanken! Vielleicht noch ein paar letzte Worte oder ein Gruß an jemanden? Und Du Valfor: Wo wird man Dich noch überall zukünftig trommeln hören?

Tiwaz: Wir haben für das gute Gespräch zu danken! Dies wird auch vorerst eine der letzten Befragungen bleiben. In Zukunft lassen wir erst einmal wieder die Musik für uns sprechen, und davon wird es noch viel geben! Ein Gruß geht insbesondere an jene Unterstützer, die uns schon seit Jahren die Treue halten und es hoffentlich auch in Zukunft tun werden!

Valfor: Ich kann mich Tiwaz nur anschließen: Danke auch von meiner Seite aus an Dich für das Interview, sowie an alle, die uns permanent unterstützen! Und bezüglich des Trommelns: Mal sehen, was die Zeit noch so mit sich bringen wird. Generell bin ich immer für alles offen, solange es gute Musik ist.

Geschrieben von Adam am 11. September 2020