Rame - Chants to Maim Again

Rame – Chants to Maim Again

Eigenproduktion
2019

Aus Russland stammt die als Duo fungierende Band Rame, welche bereits vor einem guten Jahr ihr Debütalbum „Chants to Maim Again“ in Eigenregie veröffentlichte, sowohl in digitaler Form als auch auf einer CD im schön aufgemachten Digipak. Was Black Metal aus dem östlichen Slawenland anbelangt, so bin ich da nicht allzu sehr bewandert, wobei ich in der Vergangenheit vor allem ziemlich viel Depressive Black Metal aus Russland gehört habe. Von daher bringe ich Russland auch immer irgendwie mit DSBM in Verbindung, welcher mich heutzutage aber ehrlich gesagt kaum noch reizt, da das meiste doch sehr gleich klingt (löbliche Ausnahmen gibt es natürlich aber auch hier immer wieder mal). Ansonsten sind es ein paar (ehemalige) Pagan oder Folk Black Metal Bands, die ich mit dem Land in Verbindung bringe, aber vor allem auch die inzwischen sehr langlebige Horde Blackdeath aus St. Petersburg, die mich mit ihrem ebenfalls im letzten Jahr veröffentlichten Album „Phantasmhassgorie“ zu begeistern wusste.

Was Rame betrifft, handelt es sich hier, wie bereits erwähnt, um zwei Musiker, die kompromisslos anonym auftreten. Wobei man annehmen könnte, dass Schlagzeuger Demonoir, der auch für sämtliche Synth-Klänge verantwortlich zeichnet, lediglich die zweitrangige Rolle eines dauerhaften Session-Musikers einnimmt, und es sich bei Rame hauptsächlich um ein Projekt von Exile handelt. Auf Photographien zeigen sich die beiden gesichtslos, in Bandagen gewickelt und unter tiefen Kapuzen verborgen. Die Aufnahmen fanden an zwei Orten in Russland statt, und mehr Informationen zu den Beteiligten hält das 16-seitige Booklet auch nicht bereit, der Innenbereich ist noch lediglich mit einer Signatur von Exile versehen. Das alles, dieses Mysteriöse um die Beteiligten, die Gestaltung, die Pseudonyme wie auch die Texte lassen auch vermuten, dass es sich hier um zwei Menschen handelt, die sich schon vor einer ganzen Weile von der „zivilisierten“ Gesellschaft losgesagt haben.

Die Aufmachung des Tonträgers kann sich auch sehr gut sehen lassen: Das Digipak ist hochglänzend und zeigt ein Motiv, welches sicherlich, gerade im Zusammenhang mit dem Albumtitel, auf mehrerlei Arten interpretierbar ist… Im gesamten Artwork lassen sich ebenso Verweise auf die Natur, die Elemente, die Astrologie und Kosmologie finden. Die Texte sind gespickt mit unterschwelliger Sozialkritik, beschreiben in erster Linie aber ein Bild von überzeugter Misanthropie und beschäftigen sich darüber hinaus auch mit Todesverehrung, dem Jenseits und der Bedeutungslosigkeit der Menschheit und der Nichtigkeit ihres Strebens nach immer Höherem in der Unendlichkeit des Universums. Aus dieser Sicht betrachtet hätte das Album auch keinen besseren Titel erhalten können, denn die von Rame zelebrierten Chöre sind definitiv in der Lage, die durch Normen und Dogmen zerfressene Gestalt des Menschseins zu verstümmeln und in ihren Grundfesten in ihre Bestandteile zu zerlegen. Es ist die Zelebrierung des freien Geistes, den die Band hier letztendlich auch besingt. Und das geschieht auf eine sehr gekonnte Art und Weise, was mich nun auch zu der Musik an sich kommen lässt, die durchaus nicht uninteressant ist, wenn ich auch gestehen muss, dass ich zunächst keinen direkten Zugang zu diesem Werk finden konnte… Zu eintönig zeigte sich mir die Musik anfänglich – ihre Wirkung entfaltete sich erst nach einer gewissen Weile – was auch der Grund dafür war, dass die CD nach ein paar Hördurchgängen erst wieder ungehört in meinem Regal stand.

Doch hat sich das Werk einem erst einmal geöffnet, wird schnell klar, welche Intention die Band verfolgt und auf welch, ich möchte fast sagen geniale Weise sie diese musikalisch umsetzt. „Chants to Maim Again“ bekommt dadurch eine gänzlich eigene Atmosphäre, die sich zunächst in der Zelebrierung gnadenloser Brutalität äußert, im weiteren Verlauf jedoch einige sehr stimmungsvolle Details offenbart, wie den doch recht facettenreichen Gesang, der von einem eher militant wirkenden Schreigesang über beschwörende Passagen bis hin zum geisterhaften Flüstern reicht. Auch die Instrumente erhalten mit jedem Durchlauf mehr Tiefgang und geben mehr von sich preis, als noch auf den ersten Blick ersichtlich war… Einige Passagen wirken regelrecht atmosphärisch und ein wenig erhaben, andere eher etwas „spacig“, während die allgemeine Stimmung mit jedem weiteren Durchlauf des Albums einen immer mehr meditativen Charakter einnimmt. So bietet der vorletzte Beitrag „Nav‘ the Everlasting“ vor allem in den Synths doch einen klaren musikalischen Verweis auf die schlichte aber genial monotone Stimmung von Burzum, die auch heute noch unübertroffen ist (Natürlich hat dies rein gar nichts mit den (politischen) Ansichten eines Herrn Vikernes zu tun… Doch was dieser Mann in Form eines Projektes mit seinen ersten drei bis vier Alben geschaffen hat, zählt für mich auch heute noch mit zu den intensivsten Black-Metal-Atmosphären überhaupt!). Im letzten Lied kommt dann sogar noch eine Panflöte zum Einsatz und lässt dieses insgesamt doch recht in die Tiefe gehende Werk zusammen mit klaren Gitarren und Dark Ambient ausklingen. Ein wahrlich gelungener Abschluss für ein mehr als ergreifendes Album, das sich zeitgleich monumentalen Atmosphären, aber auch brutalem Nihilismus hingibt.

Tracklist
1. Motherwhore
2. The Rame
3. The Ritual of Soul Burning
4. Until the Light Do Us Part
5. Beings of Aether
6. Lethe
7. Nausea of Love
8. Semidemon
9. Other Side
10. Nav‘ the Everlasting
11. Under the Ill-fated Star

Geschrieben von Kraehenblut am 25. September 2020