Warden of the Abyss - Wraithbound

Warden of the Abyss – Wraithbound

Eigenproduktion
2023

In der Hitze des schwarzmetallischen Musikhörgefechts – Black Metal ist ja schließlich Krieg, wie von nicht gerade wenigen immer wieder behauptet wird – trifft man vereinzelt immer wieder auf Bands, die einem sehr positiv auffallen und deshalb im Gedächtnis hängen bleiben. Und das müssen nicht immer nur die von der schwarzen Masse gehypte Bands – man denke z. B. nur an Stormkeep – sein, nein, es können sogar vollkommen unbeschriebene, kaum bekannte Acts mit einem kleinen Demo im Handgepäck sein. Im aktuell konkreten Fall ist es die süddeutsche Band Warden of the Abyss, welche mit ihrem ersten, auf „Wraithbound“ getauften Tape-Release, meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Denn schon der erste, nach dem kurzen, stimmungsvollen Prolog einsetzende Song „Echoes of the First Dawn“ zeigt auf eine recht imposante Art und Weise, wozu die Drei-Mann-Band so alles fähig ist. Natürlich wird hier – wie es sich für Black Metal gehört – auch geschreddert was das Zeug hält, aber nicht nur: Atmosphärische, zügellose Ausläufer und rhythmische, eklektische Einsprengsel sind ein ebenso fester Bestandteil der Musik von Warden of the Abyss. Doch erst als die Stimmlage wechselt, von schwarz-harsch zu poetisch und clean, offenbart sich die ganze Genialität dieses Gespanns: Denn zusammen mit dem anders gelagerten Gesang – der vielleicht etwas an die besten Songs von (Morgana) Lefay erinnern mag – nimmt die gesamte, bis dahin aufgebaute Stimmung prompt eine unverhoffte Wendung: Die hermetische Düsternis weicht einvernehmlich einem melodisch aufbrausenden, viel hellerem Schattierungsmuster. Und ja, dieses weist zweifelsohne opernhafte Färbungen und Züge auf, doch diese werden nie wirklich von der Kette gelassen, wodurch ein wirklich fulminantes zwielichtiges Spiel entsteht: Der klassische Kampf zwischen Licht und Schatten eben, ein scheinbar endlos währender Kampf, in dem keine der beiden Seiten jemals den Sieg für sich beanspruchen kann. Für uns, die Hörerschaft, endet er jedoch abrupt, und zwar mit dem unausweichlichen Ausklingen des Songs. Doch zum Glück lässt sich dieser Hörgenuss mittels der Repeat-Taste so oft man möchte wiederherstellen.

Die beiden anderen Songs sind in ihrer Art natürlich recht ähnlich wie der Opener gelungen, doch durch den hörbar reduzierten melodischen Ansatz wie den weniger ausgeprägten Stimmenwechsel, sind sie eben nicht ganz so ausdrucksstark wie „Echoes of the First Dawn“ ausgefallen. Aber die drei Songs sollen wohl absichtlich nicht gleich getrimmt aus den Boxen krachen. Denn schließlich steht jeder allein für sich da und kann/darf auch gesondert wahrgenommen bzw. verarbeitet werden. „The Petrified Chort“ kommt aus dem Grund wohl auch viel schleppender und melodramatischer um die Ecke, der klare Gesang wird hier mit dem harschen gedoppelt und somit quasi in den Schatten versteckt. Beim „Asleep Among Dust and Shadows“ gewinnt dagegen die schwarzmetallische Seite nun komplett die Oberhand, das theatralische weicht der puren Dunkelheit, die letzten Endes doch die Geschicke von Warden of the Abyss lenkt und bestimmt. Die hier ab und an sich zum Aufbauschen anschickende Lichtseite hat keine Chance sich hörbar zu manifestieren. Die Dunkelheit obsiegt endgültig! Sie hinterlässt aber den faden Beigeschmack der doch viel schöneren, harmonischen Koexistenz der Gegensätze.

Tracklist
1. Prologue: Wraithbound
2. Echoes of the First Dawn
3. The Petrified Chort
4. Asleep Among Dust and Shadows
5. Epilogue: Aaemr

Geschrieben von Adam am 10. Juni 2023