Interview mit Chotzä

Interview mit Chotzä

Der Black Metal hat viele verschiedene Subgenres und Sparten hervorgebracht. Eine sehr spezielle Wucherung dieses Genres ist der Black ‘n‘ Roll, eine Spielart, die von der Schweizer Truppe Chotzä mittlerweile meisterlich beherrscht wird. Die sehr professionelle und äußerst abwechslungsreiche musikalische Kost, welche auf dem kommenden Album „Tüüfuswärk“ zu finden sein wird und gar keinen Anlass zur Kritik gibt, lyrisch aber mit permanenten Schlägen unter der Gürtellinie provoziert, lässt viele Fragen entstehen, die wir mit diesem Interview zu erschlagen versuchen. Und der sehr auskunftsfreudige Frontmann Szivilizs hat bei unserem Frage-und-Antwort-Spiel sogar mehr preisgegeben, als der ein oder andere wissen möchte.

Grüezi Szivilizs! Mit Chotzä habt Ihr eine wahrlich kuriose Band ins Leben gerufen. Sie ist zwar nicht in aller Munde, aber mit dem aktuellen, in den Startlöchern stehenden Album „Tüüfuswärk“ könnte sich das ändern. Auf jeden Fall so oder so, wenn man in Betracht zieht, dass der im Berner Dialekt verfasste Bandname so viel wie Kotze bedeutet, nicht wahr? Aber bevor wir weiter auf das neue Album eingehen, erzählt mal etwas über Euch. Ihr alle seid doch mehr oder weniger noch in einigen anderen Bands unterwegs. Wie kam die Entstehung von Chotzä zustande? Und wieso gerade dieser Name?

Die Begrüßung „Grüezi“ ist in Bern schon mal falsch, aber das kannst Du ja nicht wissen. Es ist nur ein kleiner, aber feiner Unterschied, der Bern einfach besser als den Rest der Schweiz macht.

Der Bandname bedeutet übersetzt eher kotzen als Kotze. Wir werden oft nach dem Wieso, Weshalb und Warum gefragt, und natürlich gibt es dazu auch eine Geschichte, doch diese ist für andere Leute nicht wirklich relevant. Man muss nicht immer alles erklären, deshalb möchte ich es an dieser Stelle lieber bei der Spekulation belassen. Zudem ist in Zeiten von Social Media das eine oder andere Mysterium um eine Black-Metal-Band sicherlich nicht verkehrt.

Chotzä wurde so um 2011 herum gegründet. Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht mehr so genau. Auf einer großen Metal-spezifischen Plattform wird jedenfalls das Gründungsjahr 2014 angegeben, was so definitiv nicht stimmt. Zu Gründungszeiten war die Band nur ein Nebenprojekt und es ging uns in erster Linie darum, Musik mit Texten in unserer Muttersprache zu fabrizieren. Damals hatten wir auch nicht die Absicht, wirklich „anspruchsvolle“ Musik zu erschaffen. Das war uns einfach nicht wichtig, es ging lediglich darum, Frust ablassen zu können. Das Projekt war damals wirklich so eine besoffene Sache nach der Probe mit der Hauptband. Mit dem zweiten Album „Bärner Bläck Metal Terror“ von 2017 änderten sich jedoch unsere Herangehensweisen sowie die Besetzung, weil die Band sich von einem Neben- zu einem Hauptprojekt entwickelte.

Wir hatten unzählige Besetzungswechsel durch die Jahre hinweg, doch ungefähr seit 2018 sind wir, so denke ich zumindest, ein gefestigter Kern. Vielleicht auch gerade deswegen, weil jeder noch seine eigenen Projekte am Laufen hat. Wir helfen uns auch oft gegenseitig aus, egal ob mit Aufnahmen, Gastparts oder als Live-Musiker. Halt so, wie’s in vielen Black-Metal-Kreisen gang und gäbe ist, würde ich meinen. Zur aktuellen Bandbesetzung könnte ich natürlich viel erzählen, z. B. wer was macht und warum, aber das interessiert doch sicherlich keine Sau! Deshalb nur das: Unser Schlagzeuger hat definitiv den größten Prügel in der Hose und ich den kleinsten! (lacht) Aber lass uns lieber über das Album quatschen…

Auf jeden Fall, denn so Details will bestimmt auch keiner wissen, haha… Aber das ist gleich eine gute Überleitung zu dem ersten Song des Albums, den Ihr auch als Video ausgekoppelt habt. „Dräck am Schtäckä“, was sicherlich „Dreck am Stecken“ heißt und, in Bezug auf Vatikan und den sündigen Klerus, auch sicherlich zweideutig zu verstehen ist, oder? Was in der Welt passt Euch aber sonst noch nicht? Ich kann nicht allen Titeln, wie z. B. dem Song „Abfau“, thematisch etwas Bestimmtes zuordnen. Gehe doch bitte alle Tracks der Reihe nach durch.

Wer weiß?! Vielleicht ist doch jemand an solchen Details interessiert… (lacht) Doch um auf das Album zu sprechen zu kommen: Ja, genau um dieses Thema geht es in dem Opener. Ich würde behaupten, die Message ist eindeutig zweideutig. Denn wer sonst hat Dreck am Stecken? Die pädophilen Priester mit Sicherheit. Auch wenn sie sich das Glied regelmäßig mit Weihwasser „reinigen“ und dann den Chorknaben zwingen, sich seinen Mund mit selbigem auszuwaschen.

Der zweite Song mit dem klangvollen Titel „Schtächzähni“ behandelt die Strapazen einer jungen Mutter. Irgendwo zwischen Vaterkomplexen, Drogensucht und Verzweiflung.

„Horrorotika“ ist eine Hommage an das sogenannte Torture-Porn-Genre. Filme wie „Guinea Pig“ zum Beispiel waren die Inspiration für dieses Lied.

Wie man hier jetzt schon gut erkennen kann, sind die Themen Sex, Drogen und Gewalt in unserer Musik allgegenwärtig. Mal kritisch, mal verherrlichend und manchmal auch belächelnd. Wollust, Trägheit und Völlerei sind auch meine persönlichen „Sünden“, denen ich hingebungsvoll fröne. Der Titel „Sex, Suff & Satan“ ist dann definitiv Programm.

Weil ich ein „Fiesä Fulä Fettsack“ bin! Einer, der seine Merch-Bestellungen zu spät verschickt und Weinflaschen von der Bühne spickt…

Im Song „Süüchägott“ geht es nicht anders zu und her. Nur schneller, härter, dreckiger und mit der ein oder anderen bösen Überraschung.

Bis hin zum „Abfau“ (was „Abfall“ heißt) des Glaubens und Verenden im eigenen verdammten Dreck und Siff. Bis dahin wurde gefickt, Körper und Geist. Doch man kann sich ändern, wenn man will! Wenn man die Eier hat, zu seinen Fehler zu stehen. Und nicht nur davonläuft. Immer wieder auf der Flucht, direkt hinein in die Sucht.

„Ds Tanzgebei“ schwingen, also feiern! Ganz egal, was immer es auch für einen Grund zum Feiern gibt! Kein Black Metal?! Erzähl das den ersten drei, vier Reihen bei den kleinen aber feinen Underground-Konzerten, welche sich nach ein paar Bier schon fast gegenseitig die Keulen polieren und sich mit ihren gegenseitigen Danksagungen und Lobeshymnen kaum zurückhalten können! Nichts für den depressiven L’Oréal-Weichspüler.

„Fotzä“… Was soll ich sagen?! Ich steh auf Strapse und vor allem auf Ganzkörper-Netzteile! Gibt nichts Besseres als eine Frau, die einem den Kopf verdreht. Wieso der Song nicht im ersten Drittel des Albums positioniert ist, wo er thematisch hinpassen würde? Keine Ahnung…

Und zum Schluss kommen wir zum Titelsong. „Tüüfuswärk“ ist das längste Lied auf dem Album. Endzeit-Szenarien. Sodom und Gomorrha. Passt doch ganz gut zur derzeitigen Paranoia. Zufälligerweise. Ist es doch der Teufel höchstpersönlich, der den Menschen sein schandhaftes Wort in die Ohren legt und sie zu ficken, zu fressen, zu lügen und zu stehlen ermutigt. Damit sie dann wie die Schweine abgeschlachtet werden können, um die Flüsse durch das verdorbene Blut der Sünder purpurn zu färben.

Summa summarum geht es in den Liedern um die Verkommenheit, die Maßlosigkeit, des Teufels Werk! Oder wie siehst Du das, Adam?

Generell passen uns in dieser Welt die Menschen nicht, welche uns ihre Meinung aufzudrängen versuchen. Egal in welcher Hinsicht. Klugscheißer und Maulhelden sind ebenfalls etwas sehr Lästiges für uns.

Ja, in Eurem Werk geht es in der Tat um des Teufels Werk. Als Gottes Erstgeborener möchte ich dazu anmerken, dass dies so bestimmt nicht beabsichtigt war, als der Apfel vom Baume der Erkenntnis gepflückt wurde. Letztendlich ging es doch nur um die Freiheit, und wenn man ganz genau überlegt, ist allein schon die Vorstellung von einer totalitären Freiheit extrem dehnbar. Wie weit darf die persönliche Freiheit denn wirklich gehen? Um ein Zusammenleben zu ermöglichen, muss sie doch durch Regeln, Sitten und Gebote eingeschränkt werden. Die ultimative Freiheit ist so gesehen des Teufels Magnum Opus, denn sie schließt auch all das ein, was verrufen, ruchlos und verboten ist. Und die verrufenen Dinge scheinen Euch ja recht wenige Kopfschmerzen zu bereiten, wie man so lesen kann. (lacht) Ihr scheint ja wirklich voll nach dem allseits bekannten, schon von Lemmy vorgelebten Slogan Sex, Drugs & Rock ‘n‘ Roll zu leben, oder sehe ich das falsch? Das alles sind zugegebenermaßen auch ganz andere Werte als die, welche ich im Black Metal oder allgemein in der Musik suche, weil ich womöglich einer etwas anderen Vorstellung vom Leben folge. Haben so Werte wie Ehre, Treue, Stolz etc. auch eine Bedeutung für Euch?

Das zu machen, was man will und wie man es möchte, das ist ein Privileg. Wir sind keine Rock Stars, aber wir nehmen auch kein Blatt vor den Mund. Es gibt doch reichlich Aspekte im Black Metal, und letztendlich legt sich jeder seine eigene Ansichtsweise so zurecht, wie es für ihn passt. Mein 16-jähriges Ich war da noch ein wenig strikter und versuchte den Alltag irgendwie so zu gestalten, wie es im Booklet einer CD stand, also aufgrund von Aussagen, welche ein anderer Teenager 15 oder 20 Jahre zuvor gemacht hatte.

Und ja, das Verbotene ist definitiv reizvoll. Unsere Bandmitglieder kommen alle aus sehr unterschiedlichen Elternhäuser und haben auch sehr verschiedene Ansichten zu ganz alltäglichen Dingen. Natürlich auch zum Black Metal. Das spielt für uns aber keine Rolle, weil wir eben, um Deine Frage zu beantworten, auch Wert auf Ehre und Treue uns selber gegenüber legen. Wir wollen uns selber treu sein und das machen, worauf wir Lust haben. Und innerhalb einer 5- oder 6-köpfigen, nur aus „starken“ Charakteren bestehenden Gruppe respektvoll miteinander umzugehen, ist nicht immer leicht, gerade bei Meinungsverschiedenheiten. Da fliegen schon mal die Fetzen und es kann unangenehm werden. Wir stehen uns aber auch privat sehr nahe und helfen uns gegenseitig im Leben aus. Hohle Parolen von Ehre und Treue von sich zu geben, um sich dann aber gegenseitig in die Scheiße zu reiten, das ist etwas, das es bei uns nicht gibt.

Ich vertrete die Meinung, dass jeder tun und lassen kann, was er möchte, sofern er mit den Konsequenzen klarkommt und dann nicht rumheult. Meinungsfreiheit schützt nicht vor Konsequenz, und das ist etwas, was viele Leute nicht begreifen. Wir alle haben ein geregeltes Leben und einen Alltag (Du würdest dich wundern, wenn Du wüsstest, was der ein oder andere von uns beruflich so macht), und bei Chotzä geht es uns darum, mal eben NICHT nach den Vorgaben zu leben oder zumindest mal aus dem Alltagstrott, der oft sehr verklemmt und prüde ist, auszubrechen. Wenn man an dem verkrusteten Schorf der Gesellschaft kratzt, dann fängt es an zu stinken, und genau das tun wir auch mit unserer Musik und unseren Texten. Und das macht uns stolz!

Eine sehr gewagte Aussage, die irgendwie das Szenario einer Anarchie in meinem Kopf hervorruft, wenn ich mir vorstelle, dass jeder das machen könnte, was er wollte… Aber hier geht es zum Glück ja nur um Kunst. Gewagt ist aber auch Eure ziemlich vulgäre Ausdrucksweise. Ich kann mir vorstellen, dass viele diese voll toll finden werden, nach dem Motto, im Black Metal darf und/oder muss das so sein, während andersherum sie auch sicherlich nicht wenige zum Kotzen finden werden und sich gerade deswegen von dem Album abwenden werden, denn Ihr übergeht ganz klar und mit Absicht die Grenzen des guten Geschmacks. Seht Ihr diesbezüglich irgendwelche Problematik auf Euch zukommen?

Das ist Deine eigene Interpretation. Bei Chotzä ging es nie um Anarchie. Und wer sich in seiner Kunst vorschreiben lässt, was er tun und lassen darf, der soll das ruhig machen, kann aber auch gleich in die Kirche gehen.

Bei den Themen, die wir behandeln, ist eine vulgäre Ausdrucksweise notwendig. Klar, es gibt immer jene, die es toll finden, und andere, die es schlecht finden. Daran sollte man sich aber nicht orientieren, und das machen wir auch nicht. Irgendetwas von Nihilismus, Hass, Tod und Zerstörung steht mittlerweile auf fast jeder zweiten Black-Metal-CD, und wer sich dann wegen einer nackten Person oder einem vulgären Ausdruck getriggert fühlt, der ist wahrlich DER Satanist unter uns allen. Wie gesagt, wir machen das, worauf wir Lust haben, doch wir machen auch nichts Neues. Nackt zu sein, das gab es schon in viel ausschweifenderen Formen als es bei uns anzutreffen ist. Wem es gefällt, gut! Wem es nicht gefällt, auch gut!

Es kommt auch immer wieder vor, dass Leute mit einer vorgefertigten Meinung über mich oder die Band auf mich zukommen und nicht einmal wissen, wer ich bin. Was soll man dazu noch sagen? Zurücklehnen und genießen! Häufig sind es dazu auch Menschen, die selber noch nie eine Gitarre in den Händen gehalten haben. Oder es sind welche, die auf Facebook die Ultra-Elitären spielen und sich dann bei Oma unterm Weihnachtsbaum fotografieren lassen. Es wird immer Leute geben, denen wir ein Dorn im Auge sind. Warum auch immer. Das ist aber auch gut so! Und wer sich durch die Aussagen und das Schaffen anderer definieren muss, ist ein Opfer seiner selbst.

Man könnte also sagen, dass Ihr das, was Ihr mit der Band verkörpert, auch in der Freizeit auslebt? Dementsprechend würdet Ihr Euch diesbezüglich sogar selbst über eine schlechte Rezension freuen (wenn diese rein musikalisch absolut nicht tragbar wäre) und Euch denken: Alles richtig gemacht?!

Schöne Frage! Dazu fällt mir gleich die Situation ein, wo ein Magazin mal ein Konzertbericht über uns brachte. Der Berichterstatter hatte wohl auch keine Ahnung von Musik im Allgemeinen und machte sich über meinen wohlgenährten, prallen Bauch lustig, hehe… Das war auch nicht das Problem, doch im selben Satz schrieb er ebenfalls, dass er als ein ebenso fetter Typ es niemals oben ohne auf einer Bühne zu stehen gewagt hätte. Und da denke ich mir halt auch meine Sachen dazu. Ich bin lieber fett und hässlich und mache das, worauf ich Bock habe, ohne mich dafür zu schämen, als ein kleiner Querulant am Bühnenrand Body-Shaming zu betreiben. Diesen Bericht teilten wir dann mit der Überschrift „Sie finden uns scheiße“ auf unserer Facebook-Seite, was zu zahlreichen guten Kommentaren seitens unserer Kollegen und Bekannten führte. Die Betreiber des Magazins haben dann echt unter jedem der Gastkommentare eine Rechtfertigung geschrieben, doch im selben Atemzug warfen sie UNS noch eine Kritikunfähigkeit vor. Am Ende wollten sie uns dann auch noch weismachen, dass wir ja solche Berichte/Rezensionen wollen und diese als gute Promo betrachten sollten. Aufgrund ihrer lächerlichen Argumentationen war es am Ende auch eine echt nette Werbung für uns gewesen. Und es war zumindest sehr unterhaltsam. Und ja, wir haben auch schon mal scheiße gespielt, wir haben uns auch schon mal scheiße verhalten und wir hatten auch schon mal einen scheiße Sound. Manchmal sogar alles an einem Abend, manchmal auch neben oder hinter der Bühne…

Ich denke schon, dass wir im Privaten auch das zelebrieren, was wir auf der Bühne darstellen. Dabei sollte man jedoch im Hinterkopf behalten, dass unsere Gigs eine überspitzte Darstellung unserer Selbst darstellen. Wo wir wieder bei dem ersten Teil der Frage wären: Es wäre schön, mal eine Rezension von irgendjemandem, der wirklich was vom Musizieren versteht und der auch auf das Gespielte eingehen kann, zu kriegen. Das gibt es aber leider nur selten. Mittlerweile kann jeder Musikjournalist und/oder Fotograf sein, und wenn man keine Ahnung von dem, was man zu hören kriegt, hat, bleibt halt nur das Visuelle, an dem man herumnörgeln kann.

Ich selber bin zwar kein Musiker noch ein professioneller Musikjournalist, aber ich gebe mir stets Mühe und versuche das Gehörte so gut es geht mit meinen Worten wiederzugeben. Deshalb kann ich sagen, dass Ihr rein musikalisch betrachtet eine recht eigenwillige, aber ziemlich haushohe Nummer seid. „Bärner Mundart Bläck ‘n‘ Roll, plump, primitiv u fadägrad id Frässä!“, schreibt Ihr auf Eurer Facebook-Präsenz. Kann ich eigentlich so unterschreiben, obwohl ich lieber schon die Bezeichnung Dreck ‘n‘ Roll wählen würde, so räudig wie einige der Songs klingen. Wenn ich mir Euer neues Material aber so anhöre, komme ich auch nicht umhin zu fragen, ob Ihr Euch nicht ein wenig in der Tradition von Celtic Frost verankert seht? Auf das Rebellische trifft das zumindest voll zu!

Nein, mit Dreck ‘n‘ Roll würde ich nicht übereinstimmen wollen, da der Kern unserer Musik immer noch Black Metal ist. Aber wenn wir von der Aussage „Meh Dräck“ des Krokus-Frontmanns Chris von Rohr ausgehen, dann ja: Wir haben viel Dreck zu bieten!

Meine persönlichen musikalischen Einflüsse sind definitiv die norwegischen Bands der zweiten Welle des Black Metals und einige Kapellen aus Finnland sowie berndeutsches Liedgut. Celtic Frost haben keinen direkter Einfluss auf uns ausgeübt, wenn ich das so sagen kann (auch wenn sie ganz sicher die Bands beeinflussten, die mich inspiriert haben). Ich habe mir nie einen Song von Celtic Frost oder Hellhammer angehört und mir deren Musik als Inspirationsquelle dabei ausgemalt. Deshalb denke ich, dass es auch keinen Sinn macht, uns mit Celtic Frost zu vergleichen, auch wenn ich es natürlich super finde, dass eine Schweizer Band so grundlegend wichtig für die gesamte Entwicklung dieser Musikrichtung war. Letztens war ich auch auf einem Konzert der Band Myrkvid, und da habe ich die neue Bassistin von Tom in Aktion gesehen. Ich war richtig fasziniert davon, was die Dame so drauf hat. Chapeau!

Ist Vanja nicht mehr die Bassistin von Triptykon? Dann weißt Du schon mehr als ich, haha… Und ja, das mit Celtic Frost war vielleicht etwas zu weit gegriffen. Eigentlich wollte ich damit nur zum Ausdruck bringen, dass Ihr ebenso vielseitig wie Celtic Frost zu Werke geht. Ihr verarbeitet auch recht viele Einflüsse in Euren Songs. Etwas Heavy, etwas Thrash… Das was bei Chimæra, wo die meisten von Euch auch aktiv waren, zum Vorschein kam, das habt Ihr hier auf ein höheres Level gehoben. Ist es nicht so?

Ich meinte die neue Bassistin von Triumph of Death, der neuen Band von Tom Gabriel Warrior. Weiß allerdings nicht mal wie sie heißt. Ist jetzt aber egal…

Ja, als das Album fertig war, haben wir auch festgestellt, dass sehr viele thrashige und klassische Heavy-Metal-lastige Riffs und Stimmungen mit in die Musik eingeflossen sind. Das war so nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben. Doch ich kann mit Stolz behaupten, dass wir an der Gitarrenfraktion zwei wirklich sackstarke Musiker haben, die bei Chotzä teilweise immer noch unterfordert sind, trotz ihrer eigenen, ziemlich anspruchsvollen Parts. Ich komponiere in der Regel bloß die Grundstimmung der Songs und lasse die anderen dann walten (jedenfalls war das bei diesem Album so). Chimæra ist bzw. war eine ganz andere Geschichte. Hinter dieser Band steht nichts mehr, was relevant wäre, um darauf noch eingehen zu müssen. Man entwickelt sich halt weiter, und dass wir in verschiedenen Bands zusammenspielen, beschleunigt den Reifeprozess und macht ihn nur noch natürlicher. Mit „Tüüfuswärk“ wollten wir aus unserem eher Nattefrost- und Darkthrone-artigen Grundgerüst etwas mit einem Blick auf sämtliche Musik, die wir so hören, machen, und da gehören klassischer Heavy Metal wie auch thrashige Sachen sicherlich dazu. Also war es vielleicht doch ein wenig geplant. Schwer zu sagen. Für mich ist es eine logische Weiterentwicklung der Diskographie.

Ok, Triumph of Death hatte ich bisher noch nicht auf dem Schirm. Es ist aber auch nur mehr oder weniger eine Hellhammer-Tributband, so wie ich mich nun informiert habe. Aber egal, das ist ja nicht das Thema hier. Um also wieder auf das neue Album zurückzukommen: Ich muss sagen, auch wenn Ihr Chimæra nun totgeschlagen und sie in einer Nacht- und Nebelaktion verscharrt habt (so kommt es mir zumindest vor, wenn Du diese Formation als nicht mehr relevant bezeichnest), so gefällt mir „Of Occult Signs and War“ dennoch wirklich gut, wenngleich es im direkten Vergleich mit „Tüüfuswärk“ deutlich wird, dass Ihr noch wandelbarer und unberechenbarer seid und wahrlich nach einer soundtechnischen Perfektion strebt. Habt Ihr dafür einen Pakt mit dem Teufel geschlossen oder Euch einige besondere Techniken angeeignet? Die Songs sind mit feinen und genialen Details nur so vollgespickt! Ungewöhnlich sind auch die stellenweise verarbeiteten, sauberen Piano-Klänge, welche in dem musikalischen Suff wie Desinfektionsmittel wirken. (lacht) Um ehrlich zu sein, müsstet Ihr demnächst die Cover-Seiten aller großen Metal-Magazine zieren. Eine coole Vorstellung, was? Und wenn Du schon Nattefrost erwähnst, diese norwegische Institution hat es Dir besonders irgendwie angetan zu haben. Was hat es damit auf sich?

Wir versuchen uns natürlich von Album zu Album zu steigern. Ob der Sprung zwischen dem letzten Album und „Tüüfuswärk“ so groß war, wie der von 2014er Album „Plump u Primitiv“ zu „Bärner Bläck Metal Terror“, das weiß ich nicht. Denke aber schon, dass es so ist. Die Neuerungen, welche zum Beispiel im Titelstück von „Bärner Bläck Metal Terror“ vorkamen, wurden mehr oder weniger übernommen und noch weiter ausgebaut. Auch thrashige Elemente kommen bei „Tüüfuswärk“ nun öfters vor. Wenn man sich die Lieder genau anhört, merkt man auch Parallelen zu gewissen Stücken von den Vorgängeralben, welche direkte Weiterentwicklungen darstellen sollen. Beispiele hierzu wären: „Kabutt“ und „Schtächzähni“, „Todfiggä“ und „Ds Tanzgebei“ oder „Tüüfuswärk“ und „Nuttämord“. Uns war es wichtig, den Kern des Songwritings für Chotzä beizubehalten. Das waren klare Rückmeldungen aus dem Bandgefüge wie auch mein eigenes Bauchgefühl. Deshalb habe ich auch das Grundgerüst für fast alle Lieder komponiert. „Abfau“ stammt dagegen vom Bassisten Näbugring ab, und „Süüchägott“ wurde vom Drummer Cpt. Cunt erdacht. Dies war auch das erste Mal, dass andere Bandmitglieder mit eigenen Grundideen für neue Songs um die Ecke kamen.

Dass wir auf diesem Album vermehrt auf Piano zurückgegriffen haben, hatte sich durch die Tatsache entwickelt, dass Leopold mit bei den Live-Gigs, wo wir „Schizophrenia“ gespielt haben, zugegen war. Damit er nicht immer nur für einen Song mitreisen muss, haben wir „Sex, Suff & Satan“ komponiert. Im weiteren kreativen Prozess der Schaffensphase haben sich natürlich noch andere Möglichkeiten für ihn aufgetan. Auch Gitarren-technisch haben wir mächtig zugelegt. Wie Du schon erkannt hast, verstecken sich viele kleine Details und Feinheiten im Soundgefüge. Meinen Mitmusikern war es auch hier wichtig, sich einbringen zu können. Und das hat uns schließlich einen neuen Sound beschert.

Zur Zeit sind wir alle auch in anderen Projekten sehr produktiv, und das ist sicherlich auch etwas, das sich bestimmt auf das Album ausgewirkt hat. Vielleicht auch die Tatsache, dass wir zwischen dem Saufen und Wichsen auch ab und zu ein bisschen üben?! Dennoch, bis zu einem Nachfolger wird es wieder eine gewisse Weile dauern. Chotzä können zwar nicht lange und kommen schnell, aber es dauert immer ein paar Jahre, bis wir wieder volle Eier haben.

Unberechenbar und wahrlich obskur, das ist doch eine gute Beschreibung für Chotzä, wie ich finde. Hochglanzmagazine mit langweiligen, beschnittenen Interviews? Dann lieber so ein Interview, wie das hier mit Dir!

Nattefrost hat mir sozusagen die Jugend verdorben! Die Musik, die mir da entgegengeballert kam, hatte mich lange in ihrem Bann gehalten. Ich habe viele Einflüsse, nicht nur musikalische, doch Nattefrost gehört sicherlich zu den prägendsten.

Das ist natürlich eine eindeutige Antwort! Und danke auch für das Kompliment! Doch bevor wir zum Schluss kommen, noch eine Frage zum Cover-Artwork. Was zeigt es denn eigentlich? Wirkt irgendwie historisch wertvoll…

Ja das Cover-Artwork zeigt die Höllenqualen, welche über dem Tor der Kirche Berner Münster prangen. Den Himmel haben wir an dieser Stelle weggelassen und uns nur auf die Hölle konzentriert. Gezeichnet wurde es wieder von Death My Only Friend Artworks. Jan zeichnet seit Anbeginn die Cover für Chotzä, und das wird auch noch eine Weile so bleiben, denke ich.

Szivilizs, hab vielen Dank für den sehr ausführlichen Einblick in Eure ganz spezielle musikalische Welt! Wünsche Euch auch viel Erfolg für das kommende Album, das ganz sicherlich sehr kontrovers aufgenommen und viel von sich hören lassen wird.

Danke auch! Probiert auch Grafjammer aus Holland aus! Oder ihre Pappenheimer von Wrang mit „Domstad swart metael“!

Geschrieben von Adam am 23. März 2020