Flammenaar - Nusitos

Flammenaar – Nusitos

Terror Records
2020

Aus den ehernen Schmieden des oftmals belächelten Labels Terror Records, welches in der Vergangenheit mit so manch kontrovers diskutierter Veröffentlichung aufwartete (Stichwort: Kirchenbrand), aber ebenso auch mit richtiggehend genialen Beiträgen aus dem deutschen Underground punkten konnte (wie etwa Apotheosis Omega), kommt das zweite Erzeugnis der Horde Flammenaar daher.

Ich kann mich noch wage der Zeit vor annähernd drei Jahren entsinnen, als ich zum ersten Mal deren nach gerade einmal einer Demo-Präsentation veröffentlichtes Werk „Gottes Sohn“ zu hören bekam… Nett, aber in keinster Weise irgendwie prägend oder erinnerungswürdig – ergo musste ich mich auch erst noch einmal vor Verfassen dieser Zeilen davon überzeugen, wie diese CD letztendlich klang. Meine damalige Meinung hat sich dadurch jedoch auch nicht mehr geändert. Irgendwie fehlte mir auf „Gottes Sohn“ das gewisse Etwas. Mit entsprechend geringen Erwartungen ging ich dann auch an die Sache heran, als mir Adam das neue Flammenaar-Album zum Zwecke einer Besprechung in die Hände drückte… Und was soll ich sagen?! Ist hier wirklich noch die gleiche Band am Werke? Ich konnte es zunächst nicht glauben, denn der aktuelle Auswurf „Nusitos“ stellt in jeder Hinsicht eine hundertprozentige Steigerung gegenüber dem Vorgänger dar! Doch alles der Reihe nach…

Interessierte, die sich etwas mit nordischen und europäischen Heldensagen auseinandersetzen, werden es sich wohl längst gedacht haben: „Nusitos“ behandelt die Saga des sorbischen Fürsten Nusito (oder eben auch Nusitos oder auch Miliduch), der im 8. Jahrhundert auf der Peißnitzinsel bei Haale an der Saale gelebt haben soll. Genauer geht die Geschichte dieses Konzeptalbums auf seinen Kampf gegen Karl den Großen ein. In einer blutigen Schlacht schlug Nusitos mit seinem kleinen Heer die zahlenmäßig klar überlegenden Scharen des Königs und verhinderte so die zwanghafte Christianisierung seines noch freien heidnischen Volkes. Die Götter selbst sollen ihm dabei zur Seite gestanden haben. Als Gegenleistung für ihren Beistand versprach ihnen Nusitos ein Blutopfer, und zwar den ersten Menschen, dem er bei seiner ruhmreichen Rückkehr begegnen würde. Das leider ohne zu wissen, dass es sich dabei um seine geliebte Tochter handeln würde, die ihn sehnsuchtsvoll empfing…Er versuchte sie aus dem Eid auszulösen und den Göttern ein anderes Opfer anzubieten, ja er bot ihnen sogar sein eigenes Leben für das seiner Tochter an, doch wurde ihm dies verwehrt. Letztlich zerbrach er daran und kurz nach seinem Tod wurde auch sein Reich dem Christentum einverleibt…

Eine durch und durch tragische Erzählung also, wie man sie in vielen anderen Sagen ähnlich wiederfindet. Vielleicht ist auch dies genau der Grund, warum Flammenaar ihrem Stil noch derlei verschiedenste atmosphärische Elemente hinzufügten. Das Grundgerüst setzt sich zwar immer noch aus einem heidnisch geprägten Black Metal mit gelegentlichen Death-Metal-Growls und groovenden Gitarren zusammen, entbehrt im Vergleich zum Erstwerk aber glücklicherweise dieser gewissen Hardcore-Attitüde, die „Gottes Sohn“ meiner Meinung nach noch anhaftete. Auch die Produktion ist wesentlich ausgefeilter und offenbart ein paar sehr schöne instrumentale Details. Flammenaar haben hörbar dazugelernt und geben sich dabei einerseits deutlich kämpferisch, aber auch sicher, was Melodieführung und den Aufbau von Spannungsbögen anbelangt. „Nusitos“ erweist sich zu jeder Zeit ergreifend und mitreißend. Langeweile kommt zumindest bei mir keine auf! Gerade im späteren Verlauf des Albums bekommt der Stil auch eine gewisse Death/Doom/Gothic-Metal-Note, die mich etwas an alte Theatre of Tragedy erinnert, und die ich absolut fesselnd finde. Die hier verwendeten weiblichen wie männlichen Klargesänge und Wechsel zwischen weiblichem Sopran, tieferen Growls und biestigem Gekeife wirken dabei auch keinesfalls deplatziert oder willkürlich, sondern geben nur den Inhalt des jeweiligen Kapitels der Geschichte wieder, wenn Vater und Tochter einen Dialog führen, oder der jeweilige Charakter dem Hörer seine Gedanken offenbart. So stellt für mich der Titel „Die Opferung“ auch den eigentlichen Höhepunkt dieses ergreifenden Werkes dar, was sich auch in seiner Länge von annähernd elf Minuten widerspiegelt (unter sechs Minuten geht hier im Übrigen keines der insgesamt sieben Lieder). Aber auch das letzte Stück „Am Heldengrab des Nusitos“ stellt ein absolutes Highlight dieses Albums dar und bietet zum Abschluss noch einmal eine musikalische wie auch textliche Verbindung zu unserer Gegenwart.

Schon tausend Jahre sind vergangen
seit er hier seine Trän‘ vergoss
in alle Ewigkeit soll künden
die Mär des Fürsten Nusitos

Ein weiteres Beispiel, wie der Mensch aus der Vergangenheit Lehren für die Gegenwart ziehen könnte (ich schreibe bewusst „könnte“, denn aus Erfahrung heraus glaube ich bis heute nicht, dass der Mensch per se dazu fähig ist, aus seiner Vergangenheit zu lernen; man muss nur einmal einen Blick in die täglichen Nachrichten werfen, um das belegt zu bekommen). Begriffe wie Empathie, Ehrfurcht, Treue, Liebe, Familie und Opferbereitschaft sind es, die dieses Werk prägen und die man auch weiterhin noch hochhalten sollte. Begriffe, die heutzutage jedoch immer weniger wirkliche Bedeutung zu haben scheinen, zumindest, wenn ich mich allgemein in unserer „Gesellschaft“ und in dieser Menschenwelt umschaue. Aber da komme ich doch etwas vom Thema ab… Unterm Strich bleibt mir zu „Nusitos“ nur noch zu sagen, dass es sich hier um ein absolut ergreifendes Werk handelt, das ich jedem mit Sinn für ehrliche und auch konzeptionell wie musikalisch durchdachte extreme Metal-Musik nur ans schwarze Herz legen kann. Es ist ein Album, welches einen nicht mehr so schnell loslassen wird!

Tracklist
1. Nusitos Schwur
2. Waffengang
3. Fügung des Schicksals
4. In Schmach gebeugt
5. Die Opferung
6. Abstieg ins Totenreich
7. Am Heldengrab des Nusitos

Geschrieben von Kraehenblut am 9. Oktober 2020