Ekstasis - Wirklichkeitsraster

Ekstasis – Wirklichkeitsraster

Eigenproduktion / Geisterasche Organisation
2015

Die Scheibe, der uns hier in die Redaktion geflattert ist, hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Doch was ein wenig älter ist, muss doch nicht gleich schlechter sein? Ekstasis bieten uns auf ihrem ersten Album aus dem Jahre 2015 progressiven Black Metal (sagen zumindest die Metal Archives) mit deutschen Texten und hübsch gestaltetem Artwork. Das lyrische Konzept der Band befasst sich mit den Absonderlichkeiten des menschlichen Geistes und schlägt in die Kerbe von intellektuell angestrichenem Black Metal, mit emotional-melancholischen Texten und einer Art von Songwriting, die das stupide Geknüppel aus den Anfangstagen des Schwarzstahls aufbrechen möchte.

Klingt das ein wenig aus der Zeit gefallen? Nach tiefschürfendem Studi-BM, nach einem nostalgisch-depressivem Hauch von Blackgaze und Hipsterei? In der Tat ist der Erstling von Ekstasis nur bedingt gut gealtert. Die sechs Jahre Ruhezeit, die zwischen Erscheinungsdatum und dieser Rezension vergangen sind, haben der Scheibe nicht allzu gutgetan. Denn auch wenn „Wirklichkeitsraster“ ein einigermaßen ambitioniertes Konzept verfolgt, präsentiert sich die Band hier eher unausgegoren. Der pseudointellektuelle Anstrich mit schwergängigen Lyrics, vielen bunten, zuweilen atmosphärischen Gitarrenriffs, manchmal vertrackten rhythmischen Spielereien mag bei Bands wie Farsot, Todtgelichter, Agrypnie oder gar den alten Nagelfar eindrucksvoll gewesen sein – hier wirkt er aber eher aufgesetzt und unfertig.

Das mag an der mäßigen Produktion liegen, die zwar für eine Demo-Aufnahme in Ordnung geht, der aber jegliche Finesse und Ausdruck fehlen. Gitarren und Bass klingen gefühlt so, als wären sie ohne jede Nachbearbeitung direkt ins Interface eingespielt worden. Das klingt dann relativ klar und sehr direkt, aber auch unausgegoren, klinisch und charakterlos. Und auch wenn Ekstasis manchmal mit einzelnen tollen Riffs und Ideen um die Ecke kommen, schaffen sie es nicht, ihre anspruchsvoll gesetzten Spannungsbögen zu halten und ordentlich zu entwickeln. Zuweilen wirken die bisweilen doch sehr unterschiedlichen Motive eher beliebig hintereinander gesetzt, ohne dass sich klare Bezüge feststellen lassen. Dabei leben Ekstasis den inszenierten Kontrapunkt, den harten Break und versuchen hier, mit vielfältigem Material ihre Songs zu verfüllen. Es gelingt ihnen aber nicht so wirklich die Ideen in stimmige Songs zu verpacken. Dazu ist zu viel generisches Füllmaterial vorhanden und zu viel schief gestimmtes Gitarrengedudel. Die Songs sind überfrachtet; mit Gitarrenriffs, Breaks, rhythmisch vertracktem Gestocher und zu viel von allem, das einfach nur hintereinandergesetzt und abgespult wird.

Wir haben hier eine deutsche Black-Metal-Band im Demo-Status, wie wir sie schon sehr oft gehört haben. Doch Ekstasis schaffen es selbst über die relativ kurze Laufzeit der CD nicht, ihr Auditorium bei der Stange zu halten. Viele gute Ideen gehen einfach unter, weil sich die einzelnen Songs in ihrer Gesamtheit ob der schieren Menge verschiedener Einfälle verzetteln.

Das ist durchaus schade, denn viele Kinderkrankheiten, an denen pseudointellektueller deutscher Black Metal häufig krankt, sehen wir bei Ekstasis gar nicht. Die Texte sind durch die Bank gut geschrieben, die Beteiligten beherrschen ihre Instrumente und haben tonnenweise Ideen in die halbe Stunde „Wirklichkeitsraster“ gepackt. Eine bessere Produktion, ein wenig mehr Sinn für musikalische Dramaturgie und Spannungsbögen sowie ein beherzter Griff zum Rotstift in der Partitur dürften hier Wunder wirken und die Band flugs auf ein ganz anderes musikalisches Level heben. Grundlage hierfür wäre reichlich vorhanden. Zumal das äußere Erscheinungsbild der CD sehr ansprechend daherkommt: Jeder Song ist mit einem eigenen aquarellartigen Gemälde ausstaffiert worden, die allesamt was hermachen. Gerade für ein Album in Eigenregie sind Booklet und Cover äußerst schön gestaltet und lassen auf die Zukunft der Band hoffen. Auch wenn nach nunmehr sechs Jahren musikalischer Funkstille die Chancen auf neuerliche Lebenszeichen wohl eher gering sind. Aber man soll ja niemals nie sagen.

Tracklist
1. Angstzustände
2. Kontrolle
3. Farbenblind
4. Gedankenort
5. Realitätsverlust

Geschrieben von Jonas am 7. Mai 2021