Dxvxdxd Sxlf - Before the Dawn

Dxvxdxd Sxlf – Before the Dawn

Wolfmond Production
2021

Black Metal mit ausufernden symphonisch-orchestralen Elementen ist ja immer so eine heikle Angelegenheit. Denn allzu viele Band kaschieren unter den Unmengen an aufgeblasenem Pomp und Bombast lahme Riffs, fades Songwriting und allgemeine Ideenlosigkeit. Doch man täte dem 2017 gegründeten Vierer auf seinem zweiten Full-Length „Before the Dawn“ Unrecht, würde man die Musik der Symphonic- und Gothic-Schwarzwurzler Dxvxdxd Sxlf in solch eine Ecke schieben wollen. Zwar kranken auch hier einige Songs, Motive und Figuren an substanzlosen Orchesterspielereien, doch dann und wann blitzt zwischen den aus der Dose kommenden Geigen, Trompeten und Posaunen ein spannender Riff hervor, Momente finden in den Songs ihren Groove, laden zum Mitwippen ein und mausern sich zu cool treibenden, fast schon punkig gespielten, black-and-rolligen Stampfern. „Before the Dawn“ ist dann am spannendsten, wenn es die ausgetretenen Symphonic-Pfade verlässt und mit seltsamen Kontrasten zu spielen anfängt. Denn die Jungs beweisen durchaus Gespür für zielsicher platzierte Riffs und Spannungsbögen, die dann aber wohlgemerkt beinahe ausschließlich von der klassischen Metal-Instrumentierung leben. Denn die Keys und die orchestralen Elemente bleiben für gewöhnlich hinter dem zurück, was Dxvxdxd Sxlf so zwischen den Saiten und Schlagzeug zaubern. Nur selten gelingen ihnen wirklich dramatisch-bipolare Impressionskaskaden und emotionale Aufwallungen – wie zum Ende des dissonanten, düsteren Stückes „Weal & Woe“, das sich, untermalt von obskuren Gitarrenkadenzen, entlang schiefer und grusliger Geigenmotive zu einem durchaus beeindruckenden Opus aufbauscht. Oder wenn „Ocean of Possibilities“ durch dissonant krächzende Chöre und zuckersüße Streicher seinem Auditorium die sprichwörtlichen Zuckerbrot und Peitsche gefährlich nahekommen lässt. Es ist schon ein wenig obskur: Dxvxdxd Sxlf, eine selbst proklamierte Symphonic/Gothic-Black-Metal-Band, sind dann am stärksten, wenn sie ihrer Punktattitüde und dem Black ’n‘ Roll ein wenig mehr Auslauf gewähren und ihr Dosenorchester nur als Sahnehäubchen auf der Torte nutzen, anstatt es als eher lahmen Hauptgang zu servieren.

Die Diversität zwischen rotzigen Riffs, dem zumeist leider banalen Bombastbrimborium und elegant düsteren Momenten ist sowohl zum Nebenbeisitzen als auch zum konzentrierten Zuhören gewiss nicht unspannend. Doch so wirklich aus einem Guss sind die Stücke und deren Arrangements allerdings nicht. An vielen Stellen fehlt der rote Faden, die klare Stoßrichtung, die einzelnen Elemente und Parts diffundieren oft zu weit auseinander. Symptomatisch steht dafür auch die verhältnismäßig dicke, aber auch viel zu dichte Produktion, die keinerlei dynamische Dramaturgie oder soundtechnische Hierarchisierung grundlegender Leitmotivik zulässt. Aus diesem Grund fallen die meisten potentiell vielversprechenden Spannungsbögen schon qua Soundgewand in sich zusammen. Gerade das Schlagzeug, ganz besonders während der Blastbeats, schiebt gerne mal alles andere komplett zur Seite. Denn kein noch so ausgefuchster Gitarrenriff, keine noch so hübsche Idee kann sich behaupten, wenn es von einem synthetischen Snare-Drum-Hagel-Staccato und einer übergewichtigen Bassdrum mit der Gurgel an die Wand gedrückt wird. Dabei ist bei Dxvxdxd Sxlf wirklich reichlich Potential vorhanden. Eine elegantere, schlankere Produktion, ein pointierterer Einsatz der symphonisch-orchestralen Motive und ein vermehrtes Besinnen auf die solide, punkig rotzige Gitarrenarbeit täte all dem sehr gut. Denn die Mischung aus Kauzigkeit und kruder Eleganz ist sehr reizvoll – paradigmatisch wohl am besten durch den Gesang inkarniert. Dieser wechselt nämlich zwischen kratzig heiserem Geschrei, schiefen, dramatischen Chören sowie fast schon sprechgesangartigen Passagen. So kriegt die Musik Charakter, bekommen die Kontrapunkte einen Sinn und das Auditorium einen musikalischen Ast zum Festkrallen im diffusen akustischen Mahlstrom, zu dem „Before the Dawn“ leider an vielen Punkten geworden ist. Doch wer sich davon nicht abschrecken lässt und sich zwischen Rotzigkeit und Engelsharfen zuhause fühlt, möge gerne ein Ohr riskieren. Ansonsten gilt fürs nächste Album: Mehr Dreck, mehr Rotz, mehr Pointe bei den Streichern und weniger großflächige orchestrale Arrangements ohne Sinn und Zweck. Dann spielen Dxvxdxd Sxlf die Register, die sie sehr gut können, und dann könnten sie vielleicht ihre soundtypologischen Krankheiten ablegen.

Tracklist
1. Man in a Vortex
2. Somewhere Far Beyond
3. After Dark
4. Weal & Woe
5. The Start of the Ending
6. Swan Song
7. Ocean of Possibilities
8. Lux in Tenebris Lucet
9. Darkstones Cathedral
10. The Turin Horse

Geschrieben von Jonas am 28. November 2021