Mosaic - Heimatspuk

Mosaic – Heimatspuk

Eisenwald
2022

Nach dem faszinierenden und ureigenen Geisterwerk „Secret Ambrosian Fire“ legt Martin van Valkenstijn in diesem Jahr den sehnlichst erwarteten Nachfolger vor. Was hat sich geändert? Auf den ersten Blick nicht sehr viel: Die Mischung aus kauzigem, manischem Folk à la Current 93 und wütenden, archaischen Black-Metal-Ausbrüchen klingt eindringlich und geheimnisvoll, aber auch sperrig wie eh und je. Der Opener „Wir sind Geister“ legt vergnügt und urig-krautig los mit vorpreschendem Motorik-Rumpelschlagwerk und berauschtem Gesang (Hoj-Joj!), und das folgende Stück „Die Alte Straße“ ist gleich mal einer der schönsten und fesselndsten Apocalyptic-Folk-Songs des Jahres, für den sich der Kauf des Albums bereits lohnt. Es ist lange her, dass z. B. ein David Tibet diese weltentrückte Stimmung eines ungreifbaren, aber unwiderruflichen Verlustes in solch packende Töne zu kleiden vermochte. Der „Teufelsberg“ hingegen packt die primitive Black-Metal-Peitsche aus, diesmal mit dämonischerer Stimmung und dem Thema angemessenen ekstatischem Gesang. „Hullefraansnacht“ und „Der Köhlerknecht“ wirken fiebrig und psychedelisch, rituell-meditative Ambient-Folk-Tracks im Waldteufel-Stil samt wild raunendem Geflüster. Nichts zum Nebenbeihören. „Nordwaldrauch“ und „Heilstatt“ fahren wieder Black Metal auf, beide Songs absolute Highlights des Albums mit ähnlich intensiver Stimmung und schönen Melodien wie „Die Alte Straße“. Auch „Unterholz Zoubar“ – mehr oder weniger der „Hit“ des Albums – reißt mit, diesmal wieder kämpferisch die Faust in die Höhe gereckt statt den Blick ins Innere gerichtet. Lediglich „Blutnelke“ kann mich nicht erreichen und wirkt über weite Strecken beliebig, zumal hier der sonst sehr effektiv eingesetzte, deklamierende (Sprech)Gesang von Valkenstijn etwas in den Ohren nervt. Letzteres kann einigen Hörern, die Black Metal und Neofolk als separate Genres schätzen, übrigens auch beim ganzen Album so gehen – zu eigenbrötlerisch und abseits vieler struktureller Normen ist dieses spukige Gebräu, als dass es gefällig ins Ohr gehen möchte. Die Experimentierfreude und Kauzigkeit des frühen Krautrocks (z. B. Amon Düül) kann hingegen ein guter Anhaltspunkt sein, um dieses Album zu verstehen. Ich empfinde es als große Bereicherung und kann es vorbehaltlos all jenen empfehlen, die ihre Weltabgewandtheit noch mit der nötigen Abenteuerlust zelebrieren.

Tracklist
1. Wir sind Geister
2. Die alte Straße
3. Teufelsberg
4. Hullefraansnacht
5. Blutnelke
6. Der Köhlerknecht
7. Nordwaldrauch
8. Heilstatt
9. Unterhulz Zoubar
10. Tief verschneit die ganze Welt (Bonus-Track)

Geschrieben von Benni am 21. November 2022