Tristwood - Nyx

Tristwood – Nyx

Visionaire Productions
2019

Die Österreicher von Tristwood agieren bereits seit 2001 im dunklen Dickicht des heimatlichen Black- und Death-Metal-Bodens, doch bis jetzt ist die Band vollkommen spurlos an mir vorbeigezogen. Das lag sicherlich daran, dass ihr metallischer Sound, bis hin ins Jahr 2010 reichend, sehr stark von Industrial-Einflüssen verwässert wurde, was für Freunde des klassischen Metals oftmals ein (unbegründeter) Gräuel ist. Danach wurde erst eine kreative Pause eingelegt, und nach einer Reorganisation des Bandgefüges und vielen Jahren der Ruhe, kehrte man 2019 wieder zurück. Verstärkt, mit brennendem Tatendrang in der Brust und dem selbstproduzierten Album „Nyx“ in der Hinterhand. Die industriellen Klänge wurden auf ein wirklich gesundes Maß zurückgefahren – nur hier und da scheinen sie noch durch, sie bereichern nun aber den Sound und definieren ihn nicht mehr – und aus dem ehemaligen Industrial Black und Death Metal wurde Supreme Avantgarde Metal. Das ist wohl eine wahnsinnige Bezeichnung, aber, nach langem Hörgenuss des neuen Materials, eine doch irgendwie sehr zutreffende. Auch das Verhalten der Jungs scheint nicht von dieser Welt. Die 100 Exemplare werden schon mitunter an die richtigen Leute verschenkt. Wieso? Einfach so… Mir scheint es, der Band ist es viel wichtiger, dass ihre Musik vor allem gehört und nicht einfach nur verkauft wird, um womöglich in irgendeinem vollen Sammlerschrank auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden… Und das ist die richtige Einstellung!

„Nyx“ ist eine Ansammlung von drei verschiedenen Aufnahmesessions aus der fruchtbaren Zeit der Umorientierung und dementsprechend auch in drei Kapitel unterteilt, die sich in bestimmten Aspekten alle ein wenig voneinander abheben. Den Anfang macht das Kapitel „Lethe“, welches als „insane blast from the past“ beschrieben wird. Und das trifft den Nagel aber so was von voll auf den Kopf! Eine derart unberechenbare, wütende und gleichzeitig auch gefühlsbetonte, aus dem Bauch heraus gespielte und geschriene Power habe ich schon lange nicht mehr im Black Metal gehört! Ja, „Lethe“ geht in der Tat als reines Black-Metal-Biest durch, ganz ohne Elektro-Geklimper. Die drei Songs dieses Kapitels ließen mich auch sofort an das Buch „Skogtatt“ denken, denn genau so ungestüm und frei von Zwängen habe ich mir beim Lesen dieses kleinen Werkes die dort beschriebene Black-Metal-Band vorgestellt. Und nun kann ich ihr auch einen Namen verpassen. Der erste Track zerlegt bereits die Luft in ihre atomaren Einzelteile und trümmert alles rücksichtslos in Grund und Boden. Die brachialen Gitarren erzeugen eine ekstatische Stimmung, das durchweg ultraschnelle Schlagzeug und die Stimme des Sängers Axumis reißen Wände ein. Es ist ein Soundtrack für die Apokalypse! „Typhaon“ ist da keinen Deut besser und auch alles andere als zimperlich. Erst „The Grey Wanderer“ drosselt geringfügig das Tempo, geht etwas bedächtiger und vor allem rhythmischer zur Sache, was einem rundum gelungenen Spaziergang entspricht.

„Armada Khaeotica“, das zweite Kapitel, welches aber noch vor „Lethe“ fertig war, zehrt dagegen noch sehr bildhaft von der industriellen Vergangenheit, wie man gleich bei „Back from the Void“ feststellen wird. Die Industrial-Aspekte sind aber alle mehr wie eine hintergründige Dekoration aufgebahrt – nicht störend, sondern das Besondere des hier vorherrschenden Todesbleis hervorhebend. Sehr speziell ausgeprägt ist diesbezüglich der fünfte Song „The Grey Pantheon“. Gerade hier hört man auch den Dialekt (wenn mich meine Ohren nicht täuschen), in dem die Texte teils verfasst sind, besonders gut heraus, was der ganzen Angelegenheit noch einige zusätzliche Bonus-Punkte einbringt. Man kann hier buchstäblich von einem echten Kracher sprechen! Auch hier driften einige Computer-Geräusche durch die Lautsprecher, doch störend sind sie meiner Ansicht nach nicht. Dafür bekommt man mit „Angstkriden“ wieder einen brutal schwarzen Batzen vor die Brust gesetzt, ebenso wie mit „Obsidian Lounge“, dem einzigen Song des dritten Kapitels „Black Dawn“, bei dem man ganz deutlich merkt, dass hier auf allen Gebieten mit den verschiedensten Stilen experimentiert worden ist. Doch solche verbotenen Experimente, die derart kraftvoll wirkende akustische Monster hervorbringen, sind mittlerweile eine Seltenheit. Viel zu viele Bands wollen nur noch auf Nummer sicher gehen und limitieren sich selbst in ihrer Kunst. Doch nicht hier bei Tristwood! Selbst eine zerstückelte Melodie findet sich in dem ruppigen Gesamtsound wieder, wie ich es in der Art noch nie zuvor gehört habe. Genial und einfach nur anders! Aber bevor ich diese kleine Compilation hier noch weiter in den Himmel lobe: „Blackcrowned Majesty“, das nächste Album von Tristwood lauert bereits komplett fertig in der Angriffsstellung. Und es soll das gesamte bisherige Schaffenswerk der Band angeblich in den Schatten stellen. Da bin ich mal aber sehr darauf gespannt!

Tracklist
Chapter I: Lethe
1. Lethe
2. Typhaon
3. The Grey Wanderer
Chapter II: Armada Khaeotica
4. Back from the Void
5. The Grey Pantheon
6. Angstkriden
Chapter III: Black Dawn
7. Obsidian Lounge

Geschrieben von Adam am 21. Mai 2020