The Chant of Trees - S/T

The Chant of Trees – S/T

Shaman Voice Production
2021

Ein Blick auf das wunderschöne Artwork des A5-Digipaks von The Chant of Trees, und man möchte am liebsten von einer der darauf dargestellten Waldnymphen umgarnt und in die wilde, grüne Oase entführt werden. The Chant of Trees ist ein neues, von Frederic G. (vielen Hörern sicherlich durch seine Band Himinbjorg bestens bekannt) initiiertes Folk-Metal-Projekt, falls man hier von solchem überhaupt sprechen kann, denn es zehrt von vielen verschiedenen Musikeinflüssen und vereint diese kunstgerecht zu durchaus als konform zu bezeichnender Einheit. Die gleichbetitelte Album legt mit fröhlichem Vogelgezwitscher, sanfter Akustikgitarre und der lieblichen Stimme der Hauptvokalistin Elisabeth M. los. Was zunächst wie eine reine Ambient- oder Folk-Nummer anmutet, nimmt ab dem dritten Track einige, sich mehr als deutlich herauskristallisierende Züge von mittelalterlicher Musik an, was durch den Einsatz von solchen Instrumenten wie der Boha (eine französische Sackpfeife), Flöte oder auch Mandoline, hier allesamt von mehreren Gastmusikern eingespielt, manifestiert wird. Dadurch nimmt die ganze Sache gleich etwas mehr an Fahrt auf, was allerdings weiter, nämlich im vierten, über zehnminütigen Lied „The Boundles Seas Part I“ ein wenig unerwartet mit E-Gitarren kollidiert und die bisher gut versteckte metallische Seite von Frederic zum Vorschein bringt. Dieser Song kann auch als das dunkle Herz dieser waldigen Aufnahme angesehen werden, denn er beherbergt so ziemlich alles, was The Chant of Trees auf dieser CD ausmacht. Danach wird es wieder ruhiger, meistens ähnlich wie zu Reisebeginn: Schöne, träumerische und bisweilen auch sehnsüchtige Akustikgitarrenmelodien zu sanftem Frauengesang, welcher sich gelegentlich mit den männlichen Vocals von Frederic abwechselt. Zwar bäumt sich bei „War Day“ das Metallische – diesmal sogar auch mit einer sehr dunklen Klangabstufung daherkommend – kurzzeitig nochmals auf, das aber nur, um das Feld nun endgültig dem viel dominanteren Folk-Anteil zu überlassen.

Wenn man in „The Chant of Trees“ genauer hinhört, wird man an gewissen Stellen auch Ähnlichkeiten zu anderen diversen Folk- und/oder Ambient-Projekten heraushören können. Der neunte Song „Springtime of the Soul“ erinnert beispielsweise zunächst sehr stark an die Landsleute von Ainulindalë, und später, in der zweiten Hälfte des Liedes, sogar an Wolcensmen von Dan Capp. Das ist alles andere als schlimm, denn qualitativ bewegt man sich hier auf ebenso hoch professionellen Pfaden wie die genannten Bands. Wer also diese Projekte kennt und schätzt, aber auch z. B. Alben von Wardruna oder Heilung zu seinen Lieblingsscheiben zählt, der kann hier zugreifen, ohne sich deswegen den Kopf großartig zerbrechen zu müssen. Dennoch, auf der nächsten Scheibe würden sich weniger solche – ob bewusst oder unbewusst eingeflossene – Verweise und dafür mehr Eigenständigkeit sicherlich nicht verkehrt machen, ebenso wie ein bisschen mehr Ausdruckskraft und Mut in Elisabeths Stimme. Das hier dargebotene Gesamtpaket ist aber auf jeden Fall sehr stimmig und sehr hörenswert.

Tracklist
1. The Chant of Trees
2. Along the Stream
3. Gaze of Time
4. The Boundless Seas Part I
5. The Boundless Seas Part II
6. Heilaah
7. War Day
8. Shaman
9. Springtime of the Soul
10. The Absolute
11. The Dawn

Geschrieben von Adam am 22. Oktober 2021