Interview mit Corpus Diavolis

Interview mit Corpus Diavolis

Wo man mittlerweile nicht hinschaut, die Welt ist voller individueller, außergewöhnlicher Black-Metal-Projekte. Eine recht spezielle, einem nebeligen, infernalen Dunstkreis entsprungene Combo hört auf den Namen Corpus Diavolis. Da „Apocatastase“, das aktuelle vierte Album dieser französischen Band, recht hohe Wellen schlägt, haben wir den Schreihals und Tastenquäler Daemonicreator kurz zum Stand der Dinge befragt.

Sei mir gegrüßt Daemonicreator! Wie geht es Euch und was berührt Euch am meisten in den aktuellen, recht unruhigen Zeiten? Wen würdet Ihr am liebsten sofort in die Hölle schicken wollen?

Heil! Abgesehen von der schrecklichen Hitze, die aus der Umweltverschmutzung und der globalen Erwärmung resultiert, ist die Situation in Südfrankreich nicht so turbulent. Wir arbeiten aktuell an einer neuen Platte und dementsprechend geht es uns natürlich gut. Danke der Nachfrage! In die Hölle schicken würden wir am liebsten all die beschissenen Menschen, die auch diese Erde zu einer Hölle machen.

Da Ihr aus dem geschichtsträchtigen Süden von Frankreich kommt: Wie hat Eure Herkunft, die dort vorzufindende Umgebung und Natur und vor allem die in dieser Region ansässige Metal-Landschaft Eure Musik beeinflusst? Was im Speziellen hat Euch direkt und was, im Nachhinein betrachtet, indirekt beeinflusst?

Nun, eigentlich komme ich aus Bulgarien, Funeral ist aus den Vereinigten Staaten… Nur Analyser kommt wirklich aus dem Süden Frankreichs. Die Metal-Landschaft ist hier generell eher dürftig, es ist ein Land des Raps und der fröhlichen Musik. Wir sind sowohl von der französischen wie auch der europäischen Metal-Szene abgeschnitten, so dass diese Isolation wahrscheinlich den größten Einfluss auf unsere Musik ausübt. Und im Zustand der Isolation lässt sich wohl am ehesten eine recht unverwechselbare und persönliche Musik erschaffen. Die historischen Gegebenheiten Südfrankreichs beeinflussen uns somit nicht wirklich. Wir interessieren uns mehr für die westliche und orientalische Esoterik, also für die tiefgehenden spirituellen Angelegenheiten und nicht für irgendwelche regionalen Geschichten.

Im Vergleich zu Eurem letzten Album „Atra Lumen“ klingt Euer neues Werk nach einer starken Kurskorrektur. Wie ist es dazu gekommen? Wart Ihr noch nicht ganz mit dem bisher Erreichten zufrieden? Oder hat das vielleicht etwas mit dem Wechsel des Labels zu tun? Oder hat sich der Wechsel zu Les Acteurs de l‘Ombre Productions aus der Konsequenz der stilistischen Änderung von selbst ergeben?

Du bist der erste Hörer, der uns darauf hinweist, dass „Apocatastase“ anders ist. Ich würde nicht behaupten, dass wir eine bewusste Kursänderung vorgenommen haben, vielmehr würde ich dies auf die natürliche Evolution zurückführen. In unseren vorherigen Alben lassen sich auch überall dieselben Elemente ausfindig machen. Doch nachdem wir mit „Atra Lumen“ doomige Tiefen ausgelotet haben, wollten wir nun etwas Erdrückendes und Massives, etwas Anregendes haben. Der langsame und verdrehte Aspekt von „Atra Lumen“ ist sehr cool, aber nichts öffnet das dritte Auge so wie ein altmodischer, triumphaler Blastbeat. Und nein, es hat nichts mit dem Label zu tun, „Apocatastase“ war bereits aufgenommen, bevor wir bei Les Acteurs de l‘Ombre Productions unterschrieben haben.

War es eine bewusste Entscheidung „Apocatastase“ bei George Emmanuel aufzunehmen, der vor allem für den Sound von Rotting Christ bekannt ist? Seht Ihr evtl. Parallelen zwischen seiner und Eurer Musik?

Ja, es war eine bewusste Entscheidung, aber nicht wegen dem Rotting-Christ-Klang. Zudem bin mir auch gar nicht sicher, ob er für die finale Produktion bei Rotting Christ verantwortlich ist. Wir haben ihn aufgrund seiner Arbeit mit Acherontas ausgewählt, eine sehr organisch und okkult klingende, aber dennoch kraftvolle Produktion. Er ist einer dieser besonderen Soundmagier; nicht nur ein Tontechniker, sondern primär auch ein Künstler.

Apokatastasis ist ein etwas unklarer Begriff. Die meisten werden wohl kaum etwas mit ihm anzufangen wissen. Erläutert mal, was Ihr mit ihm verbindet und wie er aus Eurer diabolischen Sicht der Dinge zu deuten ist.

Apokatastasis ist ein altgriechischer Begriff. Er bedeutet, dass am Ende der Zeit alle Dinge „wiederhergestellt“ sein werden, in der einen oder anderen Form. Der Begriff kann auch mit christlicher Theologie in Verbindung gebracht werden, aber wir mögen ihn viel lieber in der satanischen Art und Weise zu interpretieren.

Diese „Wiederherstellung“ wird oft in unseren Texten heraufbeschworen. So lässt sie sich in den Songs „The Year is One“, „Primordial Chaos Reinvoked“, „Signs of End Times“ und noch einigen weiteren finden… Diese Welt ist so falsch, dass es faszinierend ist, sich einen Neuanfang vorzustellen. Eine neue Welt aufzubauen, in der wir uns frei ausdrücken können, ohne durch religiöse und soziale Dogmen eingeschränkt zu sein. Beim Satanismus geht es um totale Freiheit, und Satan ist unser Instrument der Freiheit. Um diese Freiheit zu erreichen, bedarf es einer Revolution, man muss alles zerstören, was „richtig“ sein soll, und von vorne beginnen.

Musikalisch kann die Idee der „Restaurierung“ mit den Grundlagen des Black Metals in Verbindung gebracht werden. Denn der Stil des Black Metals, auch wenn er sich mittlerweile stark weiterentwickelt hat, verteidigte zu Beginn den Willen, sich von Raffinesse und Technik zu befreien, um derart eine bestialische und aufrichtige Musik zu erschaffen. Diese erwählte, sich wiederholende Figur ist zu einem Medium der Trance geworden, einem Portal zur inneren Reise. Es ist keine Nostalgie, sondern eine ständige Erforschung des Ausdrucks, wobei wir uns auf die Codes des Stils stützen, die uns am Herzen liegen.

Durch die Texte und erzeugten Atmosphären erkundet das Album verschiedene Techniken, die es dem Hörer ermöglichen, sich wieder mit diesem ursprünglichen Zustand zu verbinden. Dazu zählt die Nähe zur Natur im Allgemeinen, aber insbesondere auch zu unserer eigenen, tiefen Natur. Diese Techniken leiten sich direkt aus der persönlichen Erfahrung und Praxis der Musiker sowie ihrer Erforschung esoterischer und spiritueller Strömungen ab. Das ultimative Ziel von „Apocatastase“ ist demnach die Absicht, dem Hörer eine Reise aus der gewöhnlichen Realität zu offerieren.

Das Gimmick-Cover der mir vorliegenden CD-Version ist sehr aufwendig gestaltet. Bedeutet Euch das Visuelle in Verbindung mit Eurer Musik viel? Oder steht es womöglich sogar ein wenig mehr im Vordergrund? Auch die sehr umfangreiche Special Edition würde evtl. so einen Schluss zulassen…

Neben der technischen Verbesserung in Sachen Komposition und Produktion ist die physische Manifestation dieses Artefaktes sicherlich der Hauptunterschied zwischen „Apocatastase“ und unseren vorherigen Veröffentlichungen – angefangen bei der ausgeklügelten Verpackung der CD- und LP-Fassung bis hin zu der luxuriösen Box, die einen aufwändigen und vollständigen Satz zeremonieller Utensilien enthält. Diese Sammlerbox in limitierter Auflage ist unsere bisher größte Errungenschaft. Sie enthält neben dem Album und einem exklusiven T-Shirt Ritualanweisungen, zwei authentische Rosenkränze, unser eigens dafür entworfenes satanisches Altartuch, eine Kerze, ein Räuchergefäß und noch einiges mehr… Doch man sollte dies nicht falsch verstehen bzw. deuten, denn die Musik ist für uns nach wie vor das Wichtigste. Die Bildsprache ist Teil der gesamten Aura des Künstlers und natürlich ein wichtiger Aspekt des Marketings, wo nun das Label ins Spiel kommt. Die visuelle Gestaltung ist zudem auch eine sehr gute Möglichkeit, um mit anderen Künstlern in Zusammenarbeit zu treten, was immer wieder inspirierend ist.

Ja, „Apocatastase“ ist auf jeden Fall ein sehr interessantes Werk geworden, und das in absolut jeder Hinsicht. Vielen Dank Daemonicreator, dass Du Dir etwas Zeit für unsere kleine Fragerunde genommen hast! Euch alles Gute für die Zukunft! Man hört sich!

HAIL SATAN!

Geschrieben von Bene am 10. Dezember 2022