Cruz del Sur Music
☠ 2024 ☠
Wenn man das neue Album von Grendel’s Sÿster in den Player einlegt, kann man sich absolut sicher sein, dass man exakt das bekommt, was man erwartet. Denn es gibt nur ganz wenige Bands, die so einen eigenbrötlerischen, kapriziösen und dadurch absolut unverkennbaren Stil an den Tag legen und zelebrieren, ohne auch nur einen Fußbreit davon abzuweichen. Den Stil von Grendel’s Sÿster – wenn man ihn unbedingt definiert haben möchte – müsste man wohl oder übel als eine verrückte Chimäre aus mittelalterlichem Epic Doom und klassischem Heavy Metal, und das Ganze in ein wildes Folk-Gewand gehüllt bezeichnen. Bezeichnend für das Urige und Folkige sind gerade die vielfach leicht tänzelnden oder flott galoppierenden Gitarrenrhythmen, die in allen Songs irgendwie omnipräsent mitschwingen und den Kopf wie die Beine der Zuhörer wie von Zauberhand in Bewegung versetzen und nie zu Ruhe kommen lassen.
Perlen vor die Säue
und der Ochs steht hinterm Pflug.
Ich sah nicht wo es finster war im Licht.
Der Teich ward endlich sauber,
doch die Wasserlilie starb,
die größte Gabe sah ich einfach nicht.
Das Mittelalterliche ist wiederum in den poetisch ausgeschmückten Lyrics am augenscheinlichsten zu finden. Diese – erneut zweisprachig geschrieben, vertont und auf die Tonträger draufgepackt wie schon auf den beiden EPs „Orphic Gold Leaves / Orphische Goldblättchen“ und „Myrtle Wreath / Myrtenkranz“ davor – sind wirklich alles andere als von der Stange, erzählen sie doch philosophisch angehauchte sagen- wie fabelhafte Geschichten, welche die Phantasie ungestüm blühen lassen und bis auf Äußerste (aus)reizen können. Auf solch formidable Texte zu kommen, das erfordert entweder eine ganze Menge Gras oder resultiert aus zahlreichen Burg- und Museumsbesuchen, die wohl mit einem regen Studium alter Gobelins bzw. Bildteppiche (übrigens, Gobelins darf man nur zu ganz bestimmten französischen Teppichen sagen, die aus der sogenannten Gobelin-Manufaktur, einer ganz besonderen Tapisserie-Manufaktur in Paris stammen; das wird also gleich wie mit Champagner und Sekt gehandhabt – und zack, wieder was gelernt!) einhergingen, die oftmals ähnlich gesponnene Geschichten erzählen, halt eben nur rein bildhaft. Nun, vielleicht ergeht es nur mir so, aber beim Hören des Albums habe ich stets solch eine Bildwirkerei in Form von ganz großen und bunten, mit viel Gold durchwirkten Wandteppichen vor Augen. Doch am meisten wie aus dem Mittelalter entflohen klingt die Ballade „Golden Key (Won’t Fit) / Güldenes Schlüsselein (klemmt)“. Diese von sanften Gitarren- und Flötenklängen wie gedämpftem Schlagzeug getragene Nummer wirkt einfach nur total authentisch, und das um einiges mehr als das Liedgut der meisten Rock-Bands, die sich das Wörtchen Mittelalter auf ihre Fahnen geschrieben haben. Absolut genial! Für mich eines der schönsten Lieder von Grendel’s Sÿster überhaupt. Zukünftig bitte gerne mehr solch bezaubernde ruhige Klänge einbauen.
Der nachfolgende Track „The Fire That Lights Itself / Unentfacht Flammend“ ist wiederum beinahe Bilderbuch-Doom pur. Doch durch Caros melodiebehaftete Gesangsgabe will sie sich scheinbar gar nicht so schwer und ernst begreifen, wie die Thematik um den plagenbringenden Gott es eigentlich vorschreiben müsste. Und ja: Die Band schafft es immer wieder, eine akrobatische Gratwanderung zwischen der Leichtigkeit des Seins und der Schwere des Lebens hinzubekommen, was eine wirklich erstaunliche Leistung darstellt. Und apropos Gesang: Ob die englisch- oder deutschsprachigen Songs die bessere Wahl sind, das ist, wie so oft, reine Geschmackssache. Ich persönlich finde gerade das Deutsche mit seinen typischen Kanten und Ecken passender für die Songs von Grendel’s Sÿster; es verleiht ihnen das gewisse Etwas und macht sie ein Stück weit spezieller, gerade in den Ohren der nicht deutschsprachigen Hörer, kann ich mir vorstellen. Genauso speziell wie alles an Grendel’s Sÿster ist natürlich auch das in Grün gehaltene Cover-Artwork mit dem Wiedehopf und Kampfhörnchen Cirÿl, denn es dürfte genau die anvisierte freigeistige Zielgruppe ansprechen, für die diese Musik maßgeschneidert ist. „Katabasis into the Abaton / Abstieg in die Traumkammer“ ist ein geniales Werk für geniale Leute eben!
☠ Tracklist ☠
1. Boar’s Tusk Helmet
2. The Plight of a Sorcerer
3. Rose Arbor
4. Night Owl’s Beak
5. Golden Key (Won’t Fit)
6. The Fire That Lights Itsel
7. In Praise of Mugwort
8. Cosmogony
9. Eberzahnhelm
10. Die Bürde des Schwarzkünstlers
11. Rosenhag
12. Nachteulenschnabel
13. Güldenes Schlüsselein (klemmt)
14. Unentfacht Flammend
15. Beifußweise
16. Kosmogonie