Erstarren - Tiefenrausch

Erstarren – Tiefenrausch

Narbentage Produktionen
2020

„Tiefenrausch“ ist nach der 2018er EP „Aufbruch“ das zweite – diesmal in Albumlänge – Lebenszeichen der noch recht jungen Black-Metal-Formation Erstarren aus Wolfsburg, einer Band, die dem Kreis Roots of Solitude angehört. Anhand des grünlichen und so ziemlich nichtssagenden Covers der CD lässt sich auf Anhieb nicht mal im Ansatz beurteilen, was hier einen erwarten mag. Ich bin mir aber ganz sicher, dass dies mit Absicht so minimalistisch gehalten wurde, weil es perfekt zum Gesamtkonzept des Albums passt. Lässt man den Silberling nämlich einige Runden in seinem Player rotieren, wird man feststellen müssen, dass sich hinter dieser schlichten Fassade ein sehr tiefgründiges Album verbirgt.

Dem Bild des Covers ähnlich, welches nur ein paar von unten abfotografierte Seerosen und ansonsten nur unendlich viele Hektoliter Wasser zeigt, fällt auch das Intro sehr wasserreich aus. Mit „Visionen“ wird es dann aber gleich wieder recht bodenständig, als die E-Gitarren schwer wabernde Black-Metal-Wellen anstimmen, die kräftig an die zerfransten Uferböschungen des lichtlosen Kultes der 90er Jahre branden. Mit kräftigem, röchelndem Gesang wird dieser Weg beschritten, doch dient dies scheinbar nur dazu, um den Grundboden für ruhigere, fast schon rockige oder gar leichtfüßige, auf ihre Art aber doch irgendwie nachdenklich wirkende Passagen zu ebnen, als ob man sich fragte, ob das, was man dem Hörer bisher präsentierte, oder die Art, wie man bisher ans Werk gegangen ist, auch die richtige sei, oder ob man sich nicht von der bequemen Oberflächlichkeit des Menschseins doch lieber abwendet und viel tiefer in die Thematik, in die schwieriger zu begreifenden – wenn überhaupt – Strukturen des Lebens abtaucht. Solche Gedanken sind mir bereits beim Hören von „Tiefenrausch“ gekommen, ohne auch nur einen einzigen Blick ins Booklet des Albums geworfen zu haben. Aber auch die Einsicht in das achtseitige Pamphlet gibt kaum ein Geheimnis preis, von ein paar Wortfetzen wie „Der Wahn ist ein hässliches Kunstwerk“ mal abgesehen. Es bleibt also weitestgehend dem Hörer überlassen, was er aus dem Gehörten macht. Fakt ist aber: Je tiefer hinab man sich auf diesem Album vorwagt, desto spannender und interessanter wird es auch. „Totes Gebilde“ etwa, mittig platziert und mit nur über drei Minuten Spielzeit das kürzeste Lied des Albums, ist ein starker, atmosphärischer Stampfer. Atmosphäre erzeugen, das können die drei Jungs in der Tat auch gut, vor allem wenn sie das Tempo gehörig drosseln. Bestes Beispiel hierfür bietet der Song „Ausfall“, denn dort wird zum Teil mit den minimalistischsten spielerischen Mitteln das dichteste und dunkelste Soundgewebe dieses Albums erschaffen. Und so ein permanentes Wechselbad der Gefühle, die sprichwörtlichen Lichtblicke im Dunkeln, sie machen die Sache doch erst spannend, das Zierrat betrachtens- bzw. hier hörenswert. Dieses Album ist somit definitiv ein Lichtblick aus den tiefsten Tiefen des Undergrounds!

Tracklist
1. Intro
2. Visionen
3. Tiefenrausch
4. Graustufen
5. Totes Gebilde
6. Ausfall
7. Trümmerwelten
8. Erstarren
9. Outro

Geschrieben von Adam am 31. Dezember 2020