Steingrab - Fluch der Ruhelosigkeit

Steingrab – Fluch der Ruhelosigkeit

Astral Nightmare Productions
2022

Dass Mahr mit dem Fluch der Ruhelosigkeit belegt ist, davon zeugen seine enorme Kreativität und der regelmäßige Output an hochwertigen Steingrab-Alben. Sein theatralisch-poetischer Black Metal ist derart exzeptionell anders, dass ein Vergleich mit anderer Musik nicht wirklich angebracht ist. Dasselbe gilt für die visuellen wie textlichen Ausgestaltungen, die schon mal Rätsel aufgeben können. Denn wie zum Henker passt ein Grasfrosch zum Black Metal? Diese Frage, welche mir zuallererst durch den Kopf ging, wird sogleich im „Froschteich“ beantwortet. Aus der Perspektive eines Frosches wird hier beispielhaft die scheinbar totale, unaufhaltsame Zerstörung der Natur – das brandaktuelle und vielleicht auch letzte große Generationsthema – geschildert. Gleichzeitig wird aber auch ein gangbarer Lösungsweg aufgezeigt, wenn man die Lyrics so interpretieren möchte. Doch von Gold geblendete Augen sehen nichts, von stetem Eigenlob taube Ohren hören nichts… Die weiteren Tracks spinnen das Ganze dann noch ein Stück weiter. Allein schon solch aus dem Kontext gerissene Textfetzen wie „Die Lüge als ein Stoßgebet, Konsum als letzte Religion“, „Blind sind wir – ich will mehr – ich will – ich will nicht mehr“ oder „Augen meiden Blicke, vor dem, der sie sehen könnte“ lassen gewiss sehr viel von Mahrs Gefühlswelt erahnen, die ihm als Nährboden für seine Musik dient. „Fluch der Ruhelosigkeit“ ist deshalb das schwärzeste und vielleicht auch beste Album von Steingrab, eine Art Trauerbrandung (und wenn auch nicht musikalisch, so doch aus künstlerischer Sicht ist hier eine Anspielung auf Dornenreich definitiv erlaubt). Meistens ist es eine Verflechtung aus harmonisch miteinander verschlungenen Dissonanzen zu süßen Keyboard-Tönen, oft ruhig einsetzende Lieder, die sich mit ihren tückischen Melodien nach und nach zu unheilvollen Ohrwürmern entwickeln, obwohl sie immerzu mit richtig dunkler, nichts Gutes verheißender Rhythmik ausgekleidet sind. „Hydra“, der vierte Song, ist solch eine schauernde Komposition. Das Ganze erinnert – wenn man so darüber nachdenkt – irgendwie an einen einladenden, aus Spinnweben geknüpften Soundteppich, auf dem man sich nichts ahnend niederlegt, ohne jedoch zu bemerken, dass der hungrige, in den naheliegenden Schatten verborgene Hausherr einen freudig und lauernd beobachtet. Doch Mahr kann auch anders. Der siebte Song mit dem Titel „Ein Mondlauf“ bedient sich etwa einer sachten Melodieführung, die mit harmonischen Gitarren für einen ununterbrochenen, wohligen Hörgenuss sorgt. Aber sowas können viele andere Metal-Musiker ebenfalls. Die andere Seite der Medaille bleibt dagegen nur ganz speziellen musikalischen Herzen vorbehalten. So liegt es schon auf der Hand, dass Steingrabs Musik nicht zum Nebenherhören geeignet ist. Also schnappt euch das Ding und nehmt euch die Zeit, die es braucht, um hinter die Kulissen von Steingrab zu schauen!

Tracklist
1. Froschteich
2. Seelenfinsternis
3. Das schwarze Pferd
4. Hydra
5. Zeitgeister
6. Ein Blumenbeet voll trister Farben
7. Ein Mondlauf
8. Das Tal der Tränen (Bonus-Track)

Geschrieben von Adam am 22. März 2023