Under the Night Sky - Rosalia (1918-1920)

Under the Night Sky – Rosalia (1918-1920)

Einheit Produktionen / Black Blood Records
2022

In nur sechzehn Minuten eine Welt im Kopf des Hörers erzeugen – das ist definitiv keine leichte Aufgabe. Atmospheric-Black-Metal-Bands lassen sich gerne Zeit, weshalb eine EP zu den seltener bespielten Formaten des Genres gehört. Dass Atmosphäre auch bei kurzen Spielzeiten machbar ist, beweisen Under the Night Sky so gekonnt, dass schnell klar wird: Hier sind keine Newcomer am Start. Tatsächlich setzt sich das Quartett zu einer Hälfte aus Musikern der erzgebirgischen Epic-Pagan-Metal-Band Andras zusammen, die seit Mitte der 90er aktiv ist. Die andere Hälfte stellt die noch recht junge, niedersächsische Black-Metal-Institution Servant dar.

Mit ihrer Debüt-Konzept-EP „Rosalia (1918-1920)“ entführt uns das ruchlose Bündnis in die Katakomben des Kapuzinerklosters von Palermo, wo die sterblichen Überreste von Rosalia Lombardo liegen. Rosalia verstarb 1920 im Alter von zwei Jahren an der Spanischen Grippe und wurde durch damals neuartige Balsamierungstechniken zu einer der am besten erhaltenen Mumien der Welt – also genug Stoff für eine morbide musikalische Geschichte.

Das gelingt auch ganz hervorragend: Under the Night Sky mischen traditionellen Black Metal mit Komponenten aus Gothic und Doom, ohne dabei so gekünstelt zu wirken wie manch andere Vertreter des Genres. Schon die ersten Momente des Openers „Ascension“ legen die Messlatte hoch: Für wenige Takte klagen Chöre aus den Grüften, dann setzt urplötzlich der Sturm ein, die Gitarren jagen schwermütige Mollakkorde über Blastbeats, Schreie tönen aus dem Dickicht und in weniger als einer Minute sind wir in Palermo am Totenbett der kleinen Rosalia. Im Verlauf des Albums stellt sich die stilistische Vielfalt des Quartetts heraus: Leidenschaftlicher Klargesang erinnert an Arcturus, vermischt sich ab und an mit dezenten Female Vocals, das schleppende „Eternity“ wird von Klaviertönen, Chören und gespenstischen Streichern getragen, „Farewell“ stampft mit groovigen Doom-Riffs voran.

Under the Night Sky haben mit „Rosalia (1918-1920)“ ein intensives erstes Lebenszeichen abgegeben, das Hunger auf mehr macht – zu verlockend ist die Vorstellung, wie der Stil der Band auf Albumlänge funktionieren wird. Die Anschaffung der Original-CD lohnt sich zusätzlich dank des wirklich wundervollen Artworks mit Kupferstich-Optik und Jugendstil-Anleihen. Also: Schnellstens reinhören!

Tracklist
1. Ascension
2. Eternity
3. Farewell

Geschrieben von Philipp am 3. August 2022