Arcana XXII - A Return to the Darkland

Arcana XXII – A Return to the Darkland

Einheit Produktionen
2021

„Arcana XXII? Nie gehört. Und die sollen Kult sein?“ – so oder ähnlich dürften die meisten reagieren, wenn sie den Namen der 2002 aufgelösten Underground-Perle hören, die mit „A Return to the Darkland“ jüngst eine Retrospektive ihres Backkataloges veröffentlicht hat. Dabei hat die fünfköpfige Truppe tatsächlich einen nicht ganz unwichtigen Fußstapfen in der schwermetallischen Musikgeschichte hinterlassen: Als erste Metal-Band Namibias haben Arcana XXII in den späten Neunzigern den Grundstein für eine afrikanische Hartwurstszene gelegt. Mit welchen Schwierigkeiten Metal-Musiker zu kämpfen haben, wenn sie ihre musikalischen Visionen ausgerechnet auf einem Kontinent verwirklichen wollen, auf dem es bis dahin noch keine Clubs, keine Szene, keine Musikindustrie und keine geeigneten Studios für diese Art von Musik gibt, berichtet die Band in den Liner Notes; zusätzliche Einblicke gibt es auf der beigelegten DVD. „A Return to the Darkland“ ist somit auch etwas mehr als nur eine gewöhnliche Best-of-Veröffentlichung; es ist auch eine Einführung in die Anfänge einer Band, die in ihrer Vorreiterstellung immer etwas mehr kämpfen musste als die europäischen und amerikanischen Kollegen. Beim Eintauchen in diese wilden Anfangstage im Outback helfen die Zusammenstellung alter Pressestimmen sowie die Bonus-DVD, die neben alten Musikvideos auch Interviewschnipsel, Backstage-Aufnahmen und Live-Ausschnitte enthält. Abgerundet wird das Paket durch den brandneuen Song „Sacrifice“.

Die Außenseiterstellung hört man den Namibiern mit europäischen Wurzeln auch deutlich an, denn die Songs ecken mit ihrer kruden Mischung aus traditionellem Heavy, Power und Epic Metal mit Gothic-Rock-Versatzstücken sowie eigenwilligem Gesang und rotziger Produktion immer wieder an – und genau das ist ihre Stärke. Fast alle der enthaltenen Titel wurden aus Mangel an anderen Möglichkeiten live und analog eingespielt, was den Stücken einen lebendigen Groove und eine spannungsvolle Spontaneität verleiht; das polternde Schlagzeug, die höhenlastig krächzenden Gitarren und der nicht immer ganz tonsichere Gesang sind nichts für Perfektionisten, sie versprühen aber einen so schönen Demo-Charme, dass Underground-Fanatiker dabei ihre Freude haben werden. Wirklich interessant wird die ganze Sache aber vor allem durch die ungewöhnliche stilistische Ausrichtung: Hier treffen kauzige US Metal Vibes der 80er auf Gothic Rock der alten Schule und verbinden sich überraschend mühelos zu einem Gebräu, das man durchaus als einzigartig bezeichnen kann. Gallopierende Riffs und Maiden-Gitarrenläufe mit beißendem Gesang erinnern immer wieder an ganz alte Iced Earth zu Purgatory-Demo-Zeiten, der Wechsel zwischen knurrendem Sprechgesang und leicht schiefen Falsett-Tönen erscheint wie eine Mischung aus Cirith Ungol und frühen Mercyful Fate – bis die Band immer wieder in geachtelte Palm-Mute-Teppiche mit Cleangitarrenuntermalung und Grabesstimme verfällt und dabei klingt, als würden Fields of the Nephilim in einem kunstnebelverhangenen Club absinthtrunkene Gruftie-Teens in Friedhofsstimmung bringen. Klingt nach einer Mischung, die nicht funktionieren kann? Tut sie aber. Die Gothic-Einsprengsel verleihen dem Epic Metal amerikanischer Schule einen schwermütigen, mystischen Touch, mit dem die Songs an Atmosphäre gewinnen.

Nicht nur stilistisch, sondern auch von der Songwriting-Seite her ist „A Return to the Darkland“ an spannenden Momenten und unorthodoxen Ideen nicht arm: In „Ramses“ jagen phrygische Gitarrenmelodien mit Ägypten-Feeling über Speed-Metal-Riffs, in „Lobonian Rhapsody“ kommen Fans von Punk, Thrash und Hardcore dank rotziger Gröl-Refrains auf ihre Kosten, „Hallowed Ground“ fasziniert mit melancholischen Cleangitarren, subtilen Keyboards und männlich-weiblichem Wechselgesang, in „Darkland“ schleppen sich tonnenschwere Epic-Doom-Gitarren aus den Boxen, „Untold“ punktet mit der kontrastreichen Kombination aus Groove-Metal-Rhythmen und sphärischen weiblichen Backing Vocals im Refrain und das hitverdächtige „Like a God“ weckt mit martialischen Leadgitarren Assoziationen an die besten Tage von Manowar. Am tiefsten in den Gothic Rock tauchen „Sweet Immortal“, „White Light & Black Spaces“ und „Remember Forever“ ein – eingefleischte Sisters-of-Mercy-Jünger werden hier glücklich. Auch der neue Song „Sacrifice“ überzeugt; vor allem die gereifte Stimme von Sänger Johann Smit macht diese Nummer besonders wirkungsvoll.

Natürlich funktioniert auf „A Return to the Darkland“ nicht alles. Zu oft zünden manche Ideen nicht richtig, weil sie eine andere Produktion oder ein anderes Arrangement bräuchten, zu oft klingt der knurrige Gothic-Sprechgesang mehr gewollt als gekonnt und zu oft verlässt sich die Band auf nicht ganz ausgegorene Riffs, die im Hintergrund vor sich hinrumoren. Das wird aber vor allem durch die spürbare Spielfreude aller Beteiligten ausgeglichen, die durch das Live-Feeling besonders zur Geltung kommt. Eine besondere Rolle nimmt hier Johann Smit ein, der dem Hörer das Adrenalin ungefiltert in die Ohren bellt, als gesanglicher Verwandlungskünstler immer wieder zwischen Growls, cleanen Vocals, Sprechgesang, Knurren und Falsett-Screams hin- und herwechselt und dabei auch die ein oder andere Unsauberkeit in Kauf nimmt. Und das ist vielleicht allgemein die größte Stärke von Arcana XXII: Ob beim Spiel, bei der Produktion oder beim Songwriting, immer stellt die Band Emotion über Perfektion und fördert dabei einige Perlen zutage, die so schräg und unangepasst sind, dass man sie einfach mögen muss!

Tracklist
1. Ramses
2. Sweet Immortal
3. White Light & Black Spaces
4. Barren Land
5. Lobonian Rhapsody
6. Remember Forever
7. Hallowed Ground
8. Untold
9. Like a God
10. Out of Control
11. This Burning Darkness
12. Darkland
13. Faith or Fear
14. Fallen from Grace
15. Sacrifice

Geschrieben von Philipp am 19. März 2021