Ols-Widma

Ols – Widma

Pagan Records
2020

Anna von Ols hat schon mit „Mszarna“ ein wahrhaftiges kleines Meisterstück des Neofolks erschaffen und mit ihren speziellen, der Mutter Natur huldigenden Klängen einen ganz festen Platz in meiner ewigen Playliste erhalten. Nun, ca. zwei Jahre später, ist mit „Widma“ (übersetzt „Schemen“) auch schon ihr nächstes, einer musikalischen Traumreise gleichendes Kunstwerk fertig. Und wie es nicht anders zu erwarten war, wird man hier erneut mit einer wundersam sensiblen und auf eine eigentümliche Art und Weise irgendwie auch meditativen Musik berieselt. Streng genommen muss man bei Ols rein intuitiv von einer schamanistischen Ausrichtung sprechen. Die relativ langsamen, mit vielen akustischen Instrumenten erzeugten Rhythmen und Melodien sind ergreifend und leidenschaftlich vorgetragen – von einer tödlichen Langeweile, die viele mit dem Wort „meditativ“ sicherlich sogleich assoziieren, nicht die Spur! Bezeichnend für die aufrichtige Begeisterung sind die vielen tollen, teils hintergründigen Flötenmelodien in Zusammenspiel mit Annas Stimme, die eine ganz eigene Welt erschaffen. Und eben diese zieht einen mit jedem Hördurchlauf immer tiefer und tiefer in die geheimnisvollen und dunklen Wälder hinein. Dieses Album wirkt auch etwas trister und wolkenverhangener als die beiden Vorgänger, das muss man schon sagen. Die schemenhafte Musik hat allgemein einen melancholischen Touch, was schon an der dunkel, ohne jeglicher Farbe gehaltenen Aufmachung des Digipaks ersichtlich ist und sich sogar anhand der Songtitel wie z. B. „W Ciemny Las“ (übersetzt „In den finstren Wald“) zum Teil ablesen lässt. Die meisten Melodien sind dezenterer Natur, sie sind mehr wie Erinnerungen, die von säuselndem Musikfluss just davongetragen werden, kaum dass sie sich im Kopf verfestigen können. Dennoch, alles klingt irgendwie herzerwärmend, trotz der hereinbrechenden Nacht. Irgendwie so, als ob die Musik einen belehrt, dass der Dunkelheit nicht immer nur etwas Negatives anhaften kann, ganz im Gegenteil sogar. Der innigliche, liebliche Gesang von Anna gibt Hoffnung, selbst im Augenblick des unausweichlichen Todes, was gerade im finalen Song „Pod Lodem“ (übersetzt „Unterm Eis“) am allerbesten zur Geltung kommt. Wie eine moderne Waldnymphe kommt sie daher, tanzend, singend, unsichtbare Zauber spinnend. Der Refrain, falls man die eine, doppelt vorkommende und sehr gefühlsbetonte Gesangsstelle so nennen darf, ist ein echter Ohrwurm, und zusammen mit den eine endgültige Bestimmtheit ausstrahlenden Sprechpassagen wird hier eine geister- und schauderhafte Atmosphäre erzeugt. Absolut einmalig!

Schlussfolgernd kann man nur jedem raten, sich etwas genauer mit Ols und ihrer von erdiger Percussion angefeuerten und mit vielen Naturgeräuschen angereicherten Musik auseinanderzusetzen, denn auch bei „Widma“ gilt nach wie vor: Wer etwas Besonderes, gar Magisches sucht, der wird hier ganz sicher fündig!

Tracklist
1. Widma
2. Starucha
3. Siostry
4. W Ciemny Las
5. Ziarenko
6. Drzewa Dawno Zmarły
7. Ukojenie
8. Pod Lodem

Geschrieben von Adam am 21. April 2020