Jours Pâles - Éclosion

Jours Pâles – Éclosion

Les Acteurs de l’Ombre Productions
2021

Wenn man sich die aktuell aktiven Labels – sowohl bei uns als außerhalb der deutschen Grenzen – so anschaut, wird man womöglich feststellen müssen, dass kaum eines so paarungsfreudig ist wie die französische, hauptsächlich im eigenen Land nach Perlen Ausschau haltende Veröffentlichungsschleuder Les Acteurs de l’Ombre Productions. Im fast schon monatlichen Rhythmus gebärt sich hochwertige Alben, die sich auf der internationalen Bühne mehr als wacker schlagen und dem Label immer mehr zu Ruhm und Ehre gereichen. Eines der neuesten Werke aus diesem Hause ist „Éclosion“ von Jours Pâles. Dabei handelt es sich um ein neues Nebenprojekt des Aorlhac-Sängers Spellbound, welches aus dem Überbleibsel der ähnlichen, bereits eingestampften Eintagsfliege Asphodèle ausgeformt wurde. Das einzige Album von Asphodèle heißt ebenfalls „Jours Pâles“, und so schließt sich hier vorerst der Kreis. Unterstützung erfährt Spellbound (hier neben Gesang auch noch für die Tasten zuständig) vor allem von Christian Larsson (ehemals u. a. bei Svart und Shining aktiv) am Bass, James Sloan von Uada an der Gitarre und Phalène an der Schießbude.

Nachdem die groben Rahmenbedingungen abgesteckt sind, können wir uns nun ganz und gar der in den Silberling gemeißelten Musik widmen. Der Albumtitel, der mit den deutschen Wörtern Ausbruch und Erwachen übersetzt werden kann, ist auf dem Cover wirklich gut mit aus einem Baum geborenem Menschen in Szene gesetzt. Und allein schon aus diesen wenigen Indizien, welche das innere Auge weit umherschweifen lassen, kann man auf eine naturnahe Grundhaltung der hier agierenden Hauptmusiker schließen, was natürlich kein Wunder ist, wenn man sich unsere zerrissene und scheinbar von allen guten Geistern verlassene Welt so anschaut. Und das lässt so manchen Musiker laut aufschreien! Zumindest ist der erste Song „Illunés“ klar mit einer aggressiven Attitüde behaftet, auch wenn das kurze Statement “Safe from the world, waiting for the ultimate blooming, was born Jours Pâles…” oder etwa die Trackliste auch andere Interpretationsmöglichkeiten zulassen. Letztendlich nehmt sich – wie eigentlich (bewusst oder unbewusst) üblich – jeder Hörer aus dem Gehörten das, was ihn am meisten anspricht. Und da hier sehr viel auf der instrumentalen Ebene passiert, fällt die emotionale dementsprechend vielfältig aus, was eine breite Hörerschaft ansprechen dürfte. Das ganze Musikgeflecht kann als eine gesunde Mischung aus ohnmächtig machendem Unmut, betäubender Melancholie und Hoffnung bringender Melodik betrachtet werden. Eine recht gewagte Konstellation, funktioniert hier aber tadellos. So reihen die Musiker herzhafte Riffs, gleichermaßen auf ruppige sowie sanfte und wasserklare Weise angeschlagene Saiten und sogar an Shoegaze oder Post-Rock erinnernde Harmonieparts so mühelos aneinander, als ob dies das leichteste auf der Welt wäre. Die sich dermaßen manifestierte Elegie hat dann wahrlich ein leichtes Spiel, wenn es darum geht, die sich selbst in den tiefsten Winkel eines Herzens versteckenden Melancholie-Fragmente herauskitzeln zu können und sie, und sei es nur für einen ganz kurzem Moment, an die Oberfläche des Bewusstseins zu befördern. Die dunkle Stimme von Spellbound, welche, wie beispielsweise im Titelsong, sehr oft melodische Schlagseiten annimmt, tut ihr Übriges dazu und weiß ebenso und zu jeder Zeit voll zu überzeugen. Doch als ob dies nicht schon genug des Guten wäre, werden mit viel Einfallsreichtum und ganz unerwartet immer wieder noch weitere neue Asse aus den Ärmeln gezogen, wie etwa beim fünften Song „Eclamé“, der mit der hellen Stimme der Gastsängerin Ondine besonders stark aus der ohnehin schon viel Abwechslung bietenden Trackliste heraussticht. Die Beteiligung von gut ausgewählten Gastmusikern bringt hier in der Tat gute akustische Würzakzente mit ins Spiel. Zum Schluss, im finalen Lied „Des Jours à Rallonge“ wird das ganze Konstrukt zusammen mit den Vokalisten Graf von Psychonaut 4 aus Georgien noch ein letztes Mal auf die Spitze getrieben, bevor das Intro „C2H6O“ (das ist die chemische Summenformel für Ethanol) das Album stimmig abschließt. Dazu sage ich nur „Zum Wohl“ und hebe ein Gläschen oder Fläschchen (wie die Schlange im Bandlogo) mit einem feinen französischen Rotwein auf solch eine gelungene Musik!

Tracklist
1. Illunés
2. Aux Confins du Silence
3. Ma Dysthymie, Sa Vastitude
4. Le Chant du Cygne
5. Eclamé
6. Éclosion
7. Suivant l’Astre
8. Des Jours à Rallonge
9. C2H6O

Geschrieben von Adam am 9. April 2021