Interview mit Shards of a Lost World

Interview mit Shards of a Lost World

Abstrakte wie abartige Kunst, abgrundtiefgründige Gedankenspiralen, philosophische und/oder (anti)religiöse Ansätze – in vielen Metal-Projekten, ganz besonderes in den tiefschwarzen, verbergen sich oftmals ganze geistige Welten, die, obwohl oftmals nicht sofort bewusst wahrnehmbar, bei einer genaueren Beschäftigung mit der Musik und Lyrik irgendwann zum Vorschein treten, wenn auch vielleicht nur schemenhaft oder in kaum verständlichen Ansätzen. Gerade im Black Metal entscheidet die persönliche Identifikation mit diesen nur schwer greifbaren Gedankenkonstrukten oder manchmal auch fremden, übernommenen Ideologien verstärkt über die Sympathie zu einer Band oder deren komplette Ablehnung. Solch ein Projekt, in welches viele verschiedene gewichtige Gedanken und mehrere thematische Ansätze hineingeflossen sind, ist Shards of a Lost World. Ein Grund, warum es uns ein fundamentales Anliegen war, etwas mehr Hintergrundwissen über diese Ein-Mann-Band in Erfahrung zu bringen.

Anxietas, ich grüße Dich! Shards of a Lost World existiert bereits seit 2011. Wie waren die Anfangstage, hast Du ein Bedürfnis gespürt, sich alleine auf eine musikalische Reise begeben zu müssen? Was hat den Ausschlag zur Gründung dieses Projektes gegeben?

Hallo Adam! Die Anfangstage waren eher schleppend. Zwar habe ich bereits 2011 Shards of a Lost World gegründet, es hat jedoch noch einmal vier weitere Jahre gedauert, bis aus der anfänglichen Idee Musik wurde. Auch holprig war es zu Anfang noch. Viele Dinge, wie eben komplett eigenständiges Songwriting für ganze Lieder und nicht „nur“ Gesang oder „nur“ Basslines zu schreiben, aber auch einige Instrumente wie das Schlagzeug oder das Recording, waren damals für mich noch komplettes Neuland. Dementsprechend waren insbesondere die Anfangstage ein stetiger Lern- und Reifeprozess.

Der Ausschlag, der das Ganze ins Rollen brachte, war die Tatsache, dass ich schon immer früher oder später mit Mitmusikern in Konflikt über Strukturen, Thematiken oder Spielweisen geraten bin. Von daher war ein Soloprojekt für mich der einzig verbliebene Weg, Musik so zu kreieren, wie ich sie gerne haben möchte. Also trifft Deine Vermutung auch insofern zu, denn ich hatte das Bedürfnis, mich alleine auf eine musikalische Reise zu begeben.

Du hast Dir also in den vier langen Jahren autodidaktisch noch das Spielen von weiteren Instrumenten beigebracht? Damit zukünftig aber auch alles nach Deiner Fasson laufen kann? Ein sehr mühevoller und steiniger Weg, würde ich mal behaupten, ein Weg, den nur wenige zu gehen bereit sind. Respekt! Dein Ausgangsinstrument war aber sicherlich die Gitarre, vermute ich richtig? Und die Mühen haben sich für Dich letztlich gelohnt? Oder würdest Du rückblickend einiges revidieren und etwas anders machen wollen?

Hier muss ich Dich ein bisschen korrigieren. Zwar habe ich mir das meiste wirklich selbst autodidaktisch beigebracht, aber in den vier Jahren zwischen Gründung und dem endgültigen Impuls, Shards of a Lost World zum Leben zu erwecken, ist tatsächlich nicht allzu viel passiert. Tatsächlich habe ich das richtige und vertiefte Erlernen der für mich neuen Instrumente auch fast zeitgleich mit den Aufnahmen begonnen.

Mein Ausgangsinstrument ist der Bass, nicht die Gitarre. Eine Gitarre habe ich mir zwar auch schon recht früh angeschafft, aber damals war das noch mehr ein Rumklampfen, und nicht das Spielen richtiger Songs. Dies wäre auch eines der Punkte, den ich heute wohl anders machen würde, da einige der frühen Werke eben aus diesem Grund doch recht holprig und undurchdacht klingen. Dennoch bin ich mit dem Weg und wie ich ihn gegangen bin durchaus zufrieden und kann vollends hinter allem stehen, was ich mit Shards of a Lost World bisher gemacht habe.

Das ist schon mal das Wichtigste, denn nur innere Selbstzufriedenheit kann einem das Tor zu unbegrenzten Möglichkeiten und dem wahren Glück im Leben eröffnen. Und Du hast bestimmt noch einiges mit Shards of a Lost World vor, nicht wahr? Der erst kürzlich – wie ich leider nur peripher mitbekommen habe – begangene Schritt, Shards of a Lost World zusammen mit einigen Live-Musikern auf die Bühne zu bringen, gehörte wohl auch zu Deinem Masterplan. Aber bevor wir weiter auf Deine Zukunftspläne eingehen: Was war das für ein Gefühl, Shards of a Lost World das erste Mal auf der Bühne präsentieren zu dürfen? Und wo war das? Und wer hilft Dir live eigentlich aus? Musiker aus Deinen früheren Bands? Und wenn wir schon dabei sind: In welchen Bands warst Du früher mal aktiv, bevor Du zum Lone Wolf wurdest?

Dein Zeitgefühl scheint etwas speziell zu sein. (lacht). Mit Shards of a Lost World bin ich schon weitaus länger live aktiv. Doch sind wir erst letztes Jahr nach vier Jahren pandemiebedingter Zwangspause wieder auf die Bühne zurückgekehrt. Unseren ersten Auftritt hatten wir damals auf der Falkenhardt Black Metal Night in 2016. Das war eine private Feier mit kleineren Bands aus dem Bekanntenkreis, die in einem Keller vor vielleicht 15 oder 20 Leuten stattgefunden hat. Also quasi Underground at its best.

Das Gefühl, als wir das erste Mal auf der Bühne standen, war für mich absolut überwältigend. Ich hatte ja schon Live-Erfahrung, aber bei Shards of a Lost World war es dann doch etwas anders. Es war, als würden einem uralte Ketten abgesprengt werden, und alles bricht in Bruchteilen von Sekunden aus einem heraus. Auf jeden Fall ein sehr intensiver Moment. Damals wie heute hat mich Dyret von Waldseel an der Gitarre unterstützt. Wir kennen uns seit 2008 und pflegen dementsprechend schon eine sehr lange Freundschaft. Beim ersten Auftritt wurde ich noch von Morpeuhs von Mirage Asylum am Schlagzeug unterstützt. Leider hat er uns noch im selben Jahr aus privaten Gründen wieder verlassen müssen. Etwa in demselben Zeitraum, so um 2016/17, haben Dyret und ich dann D.H. kennengelernt, den heutigen Schlagzeuger von Erstarren, der damals allerdings noch bei Sterbehilfe aktiv war. Also haben wir ihn kurzerhand gefragt, ob er, eigentlich nur übergangsweise, live das Schlagzeug übernehmen würde. Aus Übergangsweise ist dann aber offensichtlich eine dauerhafte Aktivität geworden. Alles in allem haben sich sowohl Dyret als auch D.H. als wichtige Säulen in dem Konstrukt von Shards of a Lost World entwickelt, die ich absolut nicht missen möchte. Und bevor die Frage nach dem Bassisten kommt: Bisher hat sich noch niemand passendes gefunden, und dank Dyret und seinem Ideenreichtum funktioniert es auch ganz gut ohne.

Zu meinen früheren Bands und Projekten gehört in erster Linie ein Haufen von relativ unbedeutendem Kleinscheiß, der es nicht wirklich über den Proberaum hinausgeschafft hat. Auch einige erste gemeinsame musikalische Gehversuche mit Dyret waren darunter. Ansonsten ist wohl Schattenfang die einzige Band, die man hier wirklich erwähnen kann. Bei denen bin ich etwa ein Jahr lang aktiv gewesen.

Ah, dann habe ich das mit der pandemiebedingten Bühnenrückkehr wohl etwas falsch aufgefasst. Aber davon abgesehen, von so kleinen Konzerten wie der Falkenhardt Black Metal Night bekommt man am anderen Ende von Deutschland sowieso nicht wirklich was mit, wenn man nicht bewusst von jemanden darauf aufmerksam gemacht wird. Letztlich funktioniert die gute alte Mundpropaganda-Methode immer noch am besten, denke ich. All die ganzen neumodernen technischen Plattformen sind da nicht wirklich so schlagkräftig wie sie immer vorgeben zu sein. Was hältst Du von diesen überhaupt? Eher Fluch oder Segen? Trvu oder untrve?

Da habe ich ehrlicherweise keine wirkliche Meinung zu. Es gibt genug andere Dinge, die wesentlich erfüllender sind, als sich darüber Gedanken zu machen, ob die heutigen technischen Gegebenheiten ein Fluch oder ein Segen sind. Ich nutze sie eben, weil sie da sind und bis zu einem gewissen Grad ihren Zweck erfüllen. Zwar geht mir die Entwicklung, die diverse Plattformen einschlagen, auf den Sack, aber im Gegenzug dazu, wann hast Du das letzte Mal eine klassische Litfaßsäule mit Plakaten gesehen? Man muss irgendwie das Beste daraus machen. Allerdings ist die gute alte Mundpropaganda nach wie vor ein bewährtes Mittel, welches so schnell auch nicht aussterben wird.

Aber um Deiner Frage nach Fluch und Segen doch ein wenig nachzukommen: Ich denke, dass die technischen Gegebenheiten nur einen Teil dessen ausmachen, was das Ganze wie einen Fluch erscheinen lässt. Es ist, denke ich, viel mehr der Zeitgeist, der dazu neigt, alles innerhalb von zwei Minuten wieder vergessen zu lassen.

Litfaßsäulen kommen wieder in Mode, habe ich den Eindruck; sehe wieder viele, die neu belebt werden. (lacht) Aber egal, die Nostalgie soll uns jetzt nicht weiter beschäftigen. Wenn man sich Deine komplette und doch schon recht umfangreiche Diskographie so anschaut, stolpert man augenscheinlich über eine Vielzahl an verschiedenen, meist natur- bzw. heimatbezogenen Themengebieten. Allerdings scheinen insbesondere die letzten beiden Alben „Chaoskosmos“ und „Parafer“ allein schon durch die Titelgebung da etwas aus der Reihe zu tanzen, oder täusche ich mich?

Na, dann muss ich vielleicht mal meine Wohnsituation überdenken, wenn es in Deiner Ecke wieder mehr in die analoge Schiene zurückgeht. (lacht)

Deine Wahrnehmung täuscht Dich tatsächlich nicht. Die Veröffentlichungen von 2016 bis 2019 waren eigentlich fast ausschließlich von den Naturkräften und eigenen Erfahrungen mit der anderen Welt beeinflusst, welche verarbeitet werden wollten. Einen Bezug zu jenseitigen Welten habe ich schon seit frühester Kindheit. Mit Shards of a Lost World habe ich dann einen Kanal geschaffen, um auf eine neue Art mit diesen Dingen umzugehen und auch zu interagieren. Ab „Chaoskosmos“ gab es da aber einen Bruch der Thematik in Richtung antikosmischer Sphären. Das ist aber ganz von alleine passiert, ohne dass ich mich bewusst entschieden habe lyrisch neue Gebiete zu begehen. Das ist sowieso ein ganz besonderes Ding bei Shards of a Lost World. Die wenigsten Entscheidungen treffe ich bewusst. Das meiste ist ein Entwicklungsprozess, der mehr durch mein Innerstes gesteuert wird, als dass ich bewusst sage: „Ich will jetzt das oder dies machen“. Shards of a Lost World ist quasi eine Reise, auf der ich mich befinde. Wo sie hinführt? Wer weiß das schon? Der neue Weg, den ich ab dem Album „Chaoskosmos“ eingeschlagen habe, zieht sich noch bis heute weiter fort. Selbstverständlich gibt es auch nach wie vor noch Themen aus den früheren Gebieten, aber diese sind deutlich weniger geworden.

Bezug zu jenseitigen Welten? Wie genau, wenn man fragen darf? Buddelst Du nachts Gebeine auf Friedhöfen aus? (lacht) Und um noch etwas genauer auf den Themenwechsel in Deiner Musik einzugehen: Mit so einem Albumtitel wie „Parafer“ könnten sich vielleicht so manche Hörer vor den Kopf gestoßen fühlen, denn dieses Wort wird auf Anhieb keinem etwas sagen. Wie Du mir schon früher mitgeteilt hast, ist es ein von Dir erschaffenes, aus den Begriffen „Paranormal“ und „Lucifer“ gebildetes Kunstwort. Könntest Du diesen Sachverhalt etwas näher erläutern? Spielst Du allgemein gerne mit Kunstwörtern? Hast Du noch weitere parat, mit denen Du jonglierst?

Oh, jetzt kommt wohl das schrecklichste Klischee aller Zeiten auf den Tisch (lacht). Also nein, mit jenseitigen Welten ist mitnichten das Ausgraben von Gebeinen auf Friedhöfen oder etwas in der Art gemeint. Die jenseitigen Welten sind die Sphären, die sich fernab von irdischen Dingen befinden. All die Vorgänge, die man nur durch das dritte Auge zu sehen vermag. Wir reden hier nicht von materiell greifbaren Dingen, sondern von geistigen Gegebenheiten.

Was ich mich allerdings nun frage, ist, warum man sich durch das Wort „Parafer“ vor den Kopf gestoßen fühlen sollte? Ich bin nicht der Erste, der eine sogenannte Kontamination benutzt. Meiner Meinung nach regt so etwas eher zum Nachforschen und tieferen Eindringen in die Materie ein. Natürlich nur, wenn man sich auf diese einlassen möchte. So ist es jedenfalls bei mir. Deshalb möchte ich auch nicht allzu viel über meinen Bezug zu dem Wort und was dahinter steht sagen. Aber ich schlüssele es gerne noch ein bisschen weiter auf. Schließlich will ich Dich und die Leser nun auch nicht gänzlich im Dunkeln tappen lassen. „Paranormal“ wie „Lucifer“ sind beides elementare Dinge, die sowohl dieses Album als auch Shards of a Lost World sowie mich selber ganz persönlich betreffen. Dass ich seit meiner frühen Kindheit einen Bezug zu diesen Dingen habe, erwähnte ich ja schon vorhin…

Ansonsten nutze ich diese Form der Wortkreationen nicht wirklich. Und eigentlich war es auch hier eher ein Zufall, dass dieses Wort zustande kam. Es spuckte mir einfach durch den Kopf herum, als ich mir Gedanken um das Konzept und die Inhalte zu diesem Album machte.

Deiner Antwort nach zu urteilen, würde ich Dich sowie Shards of a Lost World jetzt primär im okkulten musikalischen Milieu einordnen. Andere metaphysische Ebenen und ähnliche Dinge, da siehst Du Dich verankert? Glaubst Du z. B. an ein Leben nach dem Tod? Und das Heimatbezogene, was auf der letzten kurzen EP „Harzgeist“ wieder verstärkt durchschimmerte, ist wohl eher die zweite und um einiges kleinere Schiene, die Du bedienst, richtig?

Ich würde sogar sagen, dass Shards of a Lost World ausschließlich im okkulten Bereich verankert ist. Denn – und das schlägt eine gute Brücke zu der Harzgeist-Frage – auch das Naturverbundene ist mit dieser Ebene verknüpft. Die EP „Harzgeist“ beschäftigt sich ja nicht damit, wie schön der Wald oder die Umgebung hier ist. Sie beschäftigt sich mit den Riten und alten Sagen von Hexen und Geistern aus der Harzgegend. Das Wort Heimatverbundenheit möchte ich an dieser Stelle sowieso revidieren, denn als heimatverbunden würde ich meine Musik nicht bezeichnen. Es gibt überall interessante Stellen, in der ganzen Welt. Es trifft sich nun z. B. in Bezug auf Harzgeist so, dass ich diese Gegend durch meinen Wohnsitzwechsel näher kennenlernen durfte und sich dementsprechendes Material ergeben hat, was ich vertonen wollte. Es kann auch sein, dass ich mal sonst wo in der Welt an einen Ort komme, der Dinge preisgibt, die sich dann zu Musik machen lassen. Also, wo ich zu Hause bin, das hat nicht im Geringsten etwas mit der Musik zu tun.

Und ob ich an ein Leben nach dem Tod glaube? Ich sehe unser Leben in dieser Welt als eine einzelne von vielen Ebenen. Genau die Thematik dieser Frage behandelt der Song „Cultus Mortis“ von dem Album „Parafer“. Von daher möchte ich da gerne eher auf diesen Song verweisen. Aber eine Textzeile würde ich zur Beantwortung der Frage noch zitieren wollen: „Das Ende dieses Seins, der Aufbruch zur nächsten Dimension. Der alte Körper nur eine Hülle. Der Geist steigt auf zur nächsten Ebene.“

Also ja, ich bin absolut davon überzeugt, dass nach diesem Dasein noch weitaus mehr kommt.

Dann bist Du, was die kursierenden, teils schwarzmalerischen Zukunftsaussichten angeht, wohl eher zuversichtlich eingestellt, oder? Und was wird die nahe Zukunft denn so bei Shards of a Lost World mit sich bringen? Ist schon irgendetwas am Horizont zu erkennen?

Was heißt zuversichtlich? Ich würde sagen, dass alles eh so kommt, wie es eben kommen muss. Da kann man als Einzelner sowieso nichts dran ändern. Also was soll ich mir Gedanken machen, wie es z. B. wäre, wenn irgendein wahnsinniger Idiot auf einen Knopf drückt. Aber nicht falsch verstehen, kalt lässt mich das nicht. Doch deswegen in Angst mit einem „Was ist dann“-Gedanken durch die Gegend zu laufen, raubt auch einfach nur Energie und bringt einen nicht weiter. Von daher konzentriere ich mich lieber auf Dinge, die ich selber beeinflussen kann.

Und ja, es gibt bei Shards of a Lost World bereits etwas Neues am Horizont. Gerade heute habe ich die Aufnahmen für das kommende Album abschließen können, und mit dem, was ich bisher aus den Lautsprechern höre, bin ich sehr zufrieden. Es setzt den eingeschlagenen Weg gut fort. Allerdings muss ich mir selber eingestehen, dass die Bezeichnung Atmospheric Black Metal bei diesem Album nicht mehr wirklich ganz zutreffend sein wird. Es geht jetzt schon fast ausschließlich in den klassischen Black Metal hinein.

Ja, letztlich muss man die Dinge – egal ob positive oder auch negative – so nehmen wie sie halt kommen und das Beste daraus machen. Für die Musik gilt irgendwo auch dasselbe, denke ich. Sie ergibt sich oft von ganz alleine, sie entwickelt sich weiter, manchmal auch in eine ganz andere, ungeplante Richtung. Mit den gesammelten Erfahrungen verändert man sich eben auch als Mensch und Musiker. Das kann oftmals ein sehr schleichender, vielleicht gar unbewusster Prozess sein. So gesehen wird der Wechsel zum rein klassischen Black Metal sicherlich kein Beinbruchsein für Dich sein. Vielleicht aber für einige Hörer. Es gibt ja schließlich immer diese Hardliner, die gar keine Änderungen in „ihrer“ Musik dulden. Alles muss immer nach einem bestimmten Stil oder Zeitgeist klingen, Farbe ist tabu. Was hältst Du von solchen Allüren? Und bist Du selber eher ein offener und bunter Musikgeist, oder hast Du in Deiner Sammlung auch nur ganz bestimmte, einer Gangart zugehörende Tonträger stehen?

Nein, das ist bei Weitem kein Beinbruch für mich. Wie das allerdings der eine oder andere Hörer auffassen könnte, das vermag ich nicht zu beurteilen, doch gelinde gesagt, ist mir das auch ziemlich egal. Wer irgendetwas nicht mag, der soll es eben lassen. Ich würde mich da niemals davon abhängig machen wollen, was anderen Leuten gefällt oder in deren Schema F passt. Dementsprechend halte ich nicht allzu viel von dem „Hardliner-Gehabe“, das Du angesprochenen hast. Ich selber höre durchaus auch breit gefächerte Musik. Natürlich ist da viel Black Metal dabei, weil es auch die Musik ist, die mich am tiefsten bewegt und mitnimmt. Aber das muss gute Kunst einfach auch machen. Sie muss etwas in mir auslösen, Bilder erzeugen, mich mit auf die Reise nehmen.

Neben Black Metal bin ich aber nur den wenigsten Strömungen wirklich abgeneigt. Bei mir im Schrank stehen neben Metal unter anderem auch Rock- und Punk-Alben und auch die eine oder andere elektronische Scheibe. Die Jahrzehnte der 70er bis 90er mag ich ganz besonders. Was da alles gemacht und herumprobiert wurde! Da kann man sich sehr drin verlieren. Leider gibt es das heute nur noch selten. Die meisten Künstler machen einfach nur noch das, was eben schon mal funktionierte. Das „Out of the Box“-Denken, welches ich sehr mag, gibt es fast kaum noch. Ich selber jage auch mal gerne ein Piano durch den Gitarren-Amp oder nehme normale Geräusche aus dem Alltag auf, nur um sie so zu verbiegen, dass ganz neue Klänge dadurch entstehen. Und genau sowas findet man am ehesten noch im Black Metal und vor allem im Underground.

Unter dem schwarzen Gefieder bist Du also auch nur ein bunter Vogel, wie die allermeisten eben… (lacht) So wird das kommende Album ein ultraprogressives, leicht rockiges Crust-Black-Monster mit voll abgespacten Staubsaugergeräuschen sein, richtig? Wir lassen uns mal einfach überraschen und sind schon sehr gespannt! Anxietas, danke Dir für den netten und informativen Plausch! Und falls Du noch was loswerden möchtest, dann bitte jetzt!

Interessanter künstlerischer Ansatz, aber aufgrund des schon recht fortgeschrittenen Stadiums wird die nächste Scheibe diese Elemente wohl nicht beinhalten. Aber ich denke, dass das neue Album auch so hörenswert sein wird. (lacht)

Ich danke Dir ebenfalls für das nette Gespräch und nutze meine letzten Worte wie immer dazu, den geneigten Lesern noch ein paar Bands, die man definitiv mal anspielen sollte, mit auf den Weg zu geben. Neben den üblichen Verdächtigen wie Waldseel, Erstarren und Konsorten sollte man unbedingt auch bei Mortem Agmen und Batibat reinhören.

Wir sehen uns!

Geschrieben von Adam am 13. September 2024