Horresque - Chasms Pt. I - Avarice and Retribution

Horresque – Chasms Pt. I – Avarice and Retribution

Crawling Chaos
2020

Das ist echt blöd, gerade für die vielen selbstständigen Künstler und natürlich auch zahlreiche Metal-Bands: Die aktuell grassierende Pandemie macht alles dicht, lässt kulturelle Veranstaltungen und Konzerte aus- und den Broterwerb wegfallen und frische, trotz dieser schweren Zeit und entgegen der üblichen Panikmache veröffentlichte Alben in der Versenkung verschwinden. Und wieso? Weil nahezu alle irgendeinen Anflug von Angst haben oder sich davon anstecken lassen und viele Aktivitäten einstellen, beinahe so, als ob das Ende der Welt bevorstünde… Doch im selben Atemzug wird die Natur, unsere Lebensgrundlage weiterhin großflächig ausbeutet und zerstört, was komischerweise kaum einem nahegeht. Wenn unser Grundwasser verpestet wird oder unsere grünen Wälder von der Bildfläche verschwinden, juckt das kaum einen Verantwortlichen. Aber Hauptsache die Wirtschaft brummt weiter! Diese paradoxen Gemütszustände, diese von Gier und Macht getriebenen Handlungen, die Abgründe der Menschheit – das ist der Stoff, aus dem unter anderem die Musik von Horresque besteht. Hinter diesem Namen agieren einige gestandene und bekannte Musiker wie beispielsweise der auch bei Nocte Obducta in die Saiten hauende Gitarrist S.D., welche hier ihre eigene Vision des Blackened Death Metals zum Besten geben. Das Resultat ihrer Bemühungen ist ein ganz feines Gemisch aus klassischen sowie atmosphärischen Black-Metal-Einflüssen unter der Fuchtel des knüppelharten Todesbleis. Man spielt „mit klassischen Merkmalen beider Genres“, um einen Auszug aus dem Promo-Text zu zitieren. Zu diesem Stil gesellt sich auch eine unauffällige Nuance Progressivität, würde ich behaupten, was „Chasms Pt. I – Avarice and Retribution“ zu einem starken, besonders wirkungsvollen und durchschlagenden Album macht, welches definitiv nicht in den Wirren des modischen Wahnsinns verschwinden darf.

Das Quartett gibt von der ersten Minute nach dem Intro gleich Vollgas und stürmt mit „Guts of the Fallun Gong“ absolut überzeugend und entschlossen nach vorne, ohne sich auch nur irgendetwas zu schenken. Düster und majestätisch sind die hier verbratenen Riff-Epen, die einem brachial entgegengeschleudert werden, verzwickt und kunstvoll verwoben die Gitarrenharmonien und -wände, die durch die rasende Spielweise sowie eine oft wechselnde Abfolge kaum in den Hörgängen halt finden. Das organische, unerbittliche Drumming und die variablen, von Growls bis Screams reichenden Vocals von M.R. besorgen den Rest. Und dennoch, durch all dies flammt immer wieder ein gewisser Melo-Faktor auf, fast so wie ein sich ankündigender Lichtstreifen des Sonnenaufgangs am fernen Horizont. Songs wie „Murder Castle“ oder das Schlusslicht bildende „My Lai“ sind die besten Referenzen hierfür, zwei waschechte Kracher, die Tote zum Leben erwecken vermögen. Absolute Album-unbedingt-in-den-Schrank-hinstellen-Empfehlung von meiner Seite aus! Mit dem sehr differenzierten Artwork auf weißem Hintergrund hat das Auge auch noch einiges zu bestaunen. Um ehrlich zu sein, bin ich jetzt schon auf „Chasms Pt. II“ sehr gespannt!

Tracklist
1. Intro (Präludium)
2. Guts of the Fallun Gong
3. Gary Heidnik
4. Intro (Interludium I)
5. Murder Castle
6. Collateral Murder
7. MQ1 Predator
8. Of Pride and Kazim
9. Intro (Interludium II)
10. Deepwater Horizon
11. My Lai

Geschrieben von Adam am 4. Juni 2020