Fiat Nox - The Archive of Nightmares

Fiat Nox – The Archive of Nightmares

Crawling Chaos
2021

Bevor ich das Debütalbum von Fiat Nox in meinem Player versenken konnte, hat mir eine kleine Vorabrecherche auf Bandcamp bereits ein freudiges Lächeln ins Gesicht zaubern können. Als Appetizer musste das Demo „Light the Torches“ von 2016 herhalten, dessen drei Songs sich nun auch hier im Albtraumarchiv befinden, mittlerweile in einem gemixt-gemasterten Gewand. Für Letzteres zeigt sich übrigens Patrick W. Engel und sein Studio Temple of Disharmony verantwortlich. Allein diese Tatsache bürgt für Anspruch und Qualität.

Doch was hat man von einer Band, die „Black Metal“, „Death Metal“, „Lovecraft“ und „Dissonant“ taggt, zu erwarten? Nun, expect the unexpected… Das Intro vom Opener „A Thousand Conquered Thrones“ köchelt bereits kultverdächtig mit nostalgisch angehauchtem Riff in der schwarzmetallischen Ursuppe (wo bleibt das Ugh?). Das ist cool, nur auf lange Sicht, sprich auf Albumlänge, leider nicht ganz so meine Baustelle. Doch dies ist nur eines von vielen Tummelplätzen von Fiat Nox aus Bremen. Schon nach wenigen Takten löst sich nämlich der eingeschlagene Pfad auf, zerspringt wie ein Spiegel in unzählige Fragmente, und aus jeder dieser Facetten grinst uns irgendein bekanntes Gesicht an. Natürlich drängen sich sogleich viele Vergleiche auf, dass Fiat Nox wie die Band X, Y oder Z klingen würde, aber das kann ja jeder machen. Glücklicherweise komme ich auch nicht in die Versuchung irgendwelche bekannten Namen zu nennen, denn im Pressetext ist die Rede von „…aggressivem Old-School-Feeling und Einflüssen moderner, chaotischer Pioniere…“, und damit ist doch alles gesagt, oder?

Freuen wir uns also auf eine Zeitreise durch die Extrem-Metal-Geschichte, die abwechslungsreicher nicht sein könnte. Sechs Titel verpackt in knapp 50 Minuten Wahnsinn. Die Tracks können wirklich als Sammelsurium genretypischer Ideen wahrgenommen werden, die sich allerdings nicht wie eine abzuhandelnde Liste aneinander reihen, sondern so geschickt miteinander verwoben werden, dass eben ein unüberschaubares, alles vereinnahmendes Monstrum (mit Tentakeln? Sicher!) nach und nach an Form gewinnt. Und dieses ungeheure Vieh wabert und pulsiert in gähnenden, schlammigen Untiefen, gewissermaßen in uns selbst, und wird laut Pressetext als „…abgründige Seite des Menschen…“ musikalisch heraufbeschworen. Es lauert schier darauf, seine Bosheit zu entfesseln. Doch nicht abrupt, nein, so einfach ist es nicht getan, vielmehr umspielt es uns mit Fangarmen, von denen jeder einzelne eine eigene emotionale Regung erzeugt, mal doomig-kriechend, dann angriffslustig in purer Raserei mündend. So unterschiedlich präsentiert sich schließlich die Musik von Fiat Nox: Neben langsameren erleben wir groovende Parts, schnellen Black Metal mit Melodiebögen, die sich kurz einprägen, bevor sie vom nächsten Thema, von etwas Hymnenhaftem abgelöst werden. Ich höre Black-Thrash-Anleihen und partiell erträglich eingestreut dieses rollende Flair der alten Schule. Wiedererkennbare Riffs in „Triumph“ und „The Ophidian Fire“ erweisen der Vorreiterdekade ausführlichere Referenzen. Ansonsten fallen Motiv-Wiederholungen erst nach mehrmaligem Hören auf, dafür gibt’s Stimmungsschwankungen en gros. Bitte nicht als Vorwurf verstehen, vielmehr als Ausdruck für Vielfalt. Und die gilt auch für den Gesang, der hier gleich von drei (!) Bandmitgliedern übernommen wird: Schön vordergründig satte Growls und Shouts und wie sie alle heißen, inklusive der von mir geliebten Spoken Words. Instrumental: Geheimnisvolles Glitzern in schwarz vertonten Abgründen, dosiert sperrige Rhythmik und atmosphärische Dichte, in der nur kein allzu langes Schwelgen zugelassen wird, denn man weiß nie, mit welchem Stilmittel Fiat Nox als nächstes um die Ecke kommen. Die Mimimi-Fraktion würde womöglich mangelnde Entscheidungsfreude in Frage stellen, mir kann es herzlich egal sein. Ich schreibe als Fan dieser Mucke (bin kein Journalist) und attestiere dem Vierer aus dem Norden einfach unbändigen Bock auf großartige Musik, verbunden mit sehr sensiblem Gespür für stimmiges Timing, um auch wirklich die ganze Bandbreite ihrer Inspiration in noch mehr Metal zu kanalisieren… Und großen Fleiß, denn während diese Zeilen verfasst wurden, existieren bereits die beiden neuen EPs „In Contemptuous Defiance“ und „Demanifestation (Hymns of Destruction and Nothingness)“. Am Ende eine Menge Stoff für die Bühne (irgendwann), denn ja, ich glaube, live wird die Truppe noch mehr in der Lage sein, die (abgrund)tiefe Intensität ihrer Kunst (und die kommt bekanntlich von Können!) zu transportieren. Ihr wisst schon, so mit Licht und Nebel… Sollte man sich dann nicht entgehen lassen. Die abendfüllende Setlist steht jedenfalls!

Tracklist
1. A Thousand Conquered Thrones
2. I, Ascendant
3. Triumph
4. Journey to Yuggoth
5. The Ophidian Fire
6. The Archives of Nightmares

Geschrieben von Marko am 22. März 2022